Broadway @Volksoper

West Side Story ist das Romeo & Julia, das Generationen verbindet: zeitlos modern und trotzdem schon Vintage. In der Neuauflage der Volksoper werden genau diese Qualitäten betont und mit ein bisschen Opernzauber abgerundet.

Love will find a way /// Marco Sommer, Volksoper (c)

Der erste Eindruck zählt, auch im Theater. Und das hat sich das Team rund um Lotte de Beer (Regie) zu Herzen genommen: Gleich in den ersten Minuten wird man von der vollen Ladung Musical-Tanz in das New York der späten 50er katapultiert. Jeder Tanzschritt sitzt und jedes Kostüm wird dem Zeitalter gerecht. Nach Candide (wir haben berichtet) im Theater an der Wien zeigt die Volksoper mit West Side Story binnen kürzester Zeit die zweite fulminante Bernstein-Bühnenshow.

Bernstein all over the place

Wir lernen die rivalisierenden Gangs Jets & Sharks kennen, wie sie tagtäglich ihre Reviere verteidigen. Immer wieder funkt auch die Polizei mit einem rassistischen Seitenhieb zwischen ihre Sticheleien. Was Jeff (Anführer der Jets) eines Tages dazu bringt, den Streit, um das Revier der Straße, endgültig zu entscheiden.

Bei einem Tanzabend überbringt Jeff dem aus Puerto Rico eingewanderten Bernado (Anführer der Sharks) die Aufforderung zu einem alles entscheidenden Kampf. Der Abend wird allerdings davon überschattet, dass Bernados Schwester Maria mit Jeffs besten Freund Tony (auch Teil der Jets) innig und ganz verliebt tanzt. Diese Szene sprüht geradezu von energiegeladenem Bühnenschauspiel. Alle sind auf der Bühne & alle tanzen – man möchte am liebsten selbst aufspringen und es ihnen gleichtun.

Für Maria und Tony ist alles klar: Es gibt nur mehr sie beide und sie wollen in Frieden zusammen sein. Jedoch ist dieses Vorhaben für die Spannungen zwischen den Gangs alles andere als förderlich…

Sprachliche Nahbarkeit und amerikanisches Flair

Die Inszenierung überzeugt mit der richtigen Balance aus sprachlicher Nahbarkeit und amerikanischem Flair – gesprochen wird auf Deutsch, gesungen auf Englisch. Auch das Bühnenbild ist schlicht, aber ausgeklügelt. Ganz in schwarz gehalten, spielt sich alles auf einer großen Drehscheibe ab. Diese ist für jede Szene gerade so geschmückt, dass man in die Welt eintauchen kann, aber nicht von Details erschlagen wird. Man hat immer das Gefühl genau da zu sein, wo die Charaktere gerade sind: im Brautmodeladen, im schlichten Seitengassen-Laden oder in einer Tanzbar.

Man vergisst bis zur Pause schnell, dass man in der Volksoper sitzt. Der Tanz und Gesang ist kraftvoll und ganz un-opernhaft; einzig Jaye Simmons (Maria) verleiht dem Stück mit ihrer Stimme eine zarte Opernnote. Ein kleines, aber feines Alleinstellungsmerkmal.

Jets vs. Sharks /// Marco Sommer, Volksoper (c)

Die Geschichte von West Side Story ist zeitlos. Liebe, die nicht sein kann, aber unbedingt sein möchte gibt es immer und überall, jede*r findet sich ein Stückchen in Tony und Maria wieder. Aber auch auf gesellschaftlicher Ebene ist das Stück (leider) immer noch aktuell: Die eingewanderten Sharks, die hin und her gerissen sind zwischen Heimweh und den Möglichkeiten der neuen Heimat, der Rassismus, der nicht nur die Einzelnen, sondern auch die Autoritäten trübt und korrupt macht und das zermürbende Gefühl, alles würde zwischen den Fingern zerrinnen.

Das alles kennen wir alle und diese Geschichte erzählt es wie keine zweite. Es ist ein erdrückendes Gefühl, aber die Volksoper macht es unterhaltsam.

Previous
Previous

Saltburn im Kreuzfeuer: Sammelkritik

Next
Next

Der Umgang mit der Ernsthaftigkeit