Der Umgang mit der Ernsthaftigkeit

Auf ihrem ersten Studioalbum zeigen sich Endless Wellness durchzogen von Wortgewandtheit im Umgang mit den ernsten Themen unserer Zeit.

Endless Wellness /// Franziska Barcsay (c)

Endless Wellness besingen auf ihrem Debütalbum Was für ein Glück immer wieder die Themen, die sie bewegen und stressen. In ihren Songs treiben sich große Ängste und Versuche der Bewältigung dieser umher, auch wenn es nicht immer Lösungen gibt. In Abwesenheit des vierten Mitglieds, Adele Ischia, dreht sich das Gespräch mit drei Vierteln der Band - Milena Klien, Philipp Auer und Hjörtur Hjörleifsson – um das gemeinsame Arbeiten am Album, darum ob die Klimakrise ein Generationenkonflikt ist und wieso auch bei heiteren Zeilen immer ein Erinnern an das Schlechte bleibt.

Bohema: Ihr kennt euch seit über zehn Jahren. Wie kommt es erst nach so langer Zeit zustande, dass ihr als Band zusammen Musik macht?

Milena Klien: In der Konstellation hat sich das durch verschiedene glückliche Umstände entwickelt. Es war auch das erste Mal, dass wir seit unserer Jugendzeit alle in derselben Stadt gewohnt haben. Philipp und ich hatten schon eine Band als wir Teenies waren in Salzburg. Ich bin nach Wien gezogen und Adele hat gerade begonnen sich intensiv mit der Gitarre auseinander zu setzen, Hjörtur hat Songs von Philipp gehört und ihn sehr darin bestärkt, die auch außerhalb von WG-Zimmern in die Welt zu tragen. So ist es dann 2021 dazu gekommen, dass wir uns im Proberaum wiedergefunden haben.

B: Wie ist dann die Dynamik, wenn man sich schon ziemlich gut kennt?

Philipp Auer: Sehr erleichternd. Es lässt vermuten, dass es anstrengend ist, und das ist es auch, aber ich habe das Gefühl es ist auch voll gut. Ich wüsste nicht, wie man diesen Job macht, der sehr prekär ist, ohne dass man sich auch so gernhat und Freude daran hat Zeit miteinander zu verbringen.

Hjörtur Hjörleifsson: Ich habe das Gefühl es vertieft auch die Freundschaft. Natürlich braucht es dann umso mehr Struktur, aber man verbringt einfach viel mehr Zeit miteinander, und zwar nicht nur Quality Time, sondern manchmal müssen Sachen erledigt werden. Umso wichtiger ist es auch, dass man einfach schaut, dass die Basis gepflegt wird und erhalten bleibt.

B: Ihr habt euch erst 2021 gegründet, wie konntet ihr so schnell Fuß fassen?

HH: Wir konnten einige der Findungsschritte überspringen, dadurch, dass ich schon länger in der Musikszene bin und einen gewissen Erfahrungswert mitnehme, aber es ist auch eine Sache der Herangehensweise. Es hat jeder von Anfang an gleich erkannt, dass wir diese Musik so weit bringen wollen, wie wir nur können. Andererseits muss man auch sagen, wenn man außerhalb der Szene ist, ist es sehr schwer Leute zum Zuhören zu bringen.

MK: Wir haben das große Privileg ein Umfeld zu haben, das uns in den Dingen, die wir machen, unterstützt. Ich weiß, wenn ich finanzielle Probleme habe, kann ich mich an ein Umfeld wenden, das mir aushilft. Wirklich sehr wenige Menschen können es sich überhaupt leisten, Kunst zu machen. Da spielen Klasse und andere Diskriminierungsaspekte eine große Rolle.

B: Philipp ist die einzige Person, die an allen Songs mitgeschrieben hat. Wie entscheidet ihr, wer an welchem Song mitschreibt?

PA: Ein paar Songs waren fertig, sobald wir alle gesagt haben, das ist ein guter Text, dann ist da nicht mehr daran geschraubt worden. Die Texte, die mit der Band gemeinsam entstanden sind, sind eigentlich immer gleich in die Gruppe getragen worden und an denen wurde gemeinsam gefeilt.

Kreativentscheidungen und Weltschmerz

In nuancierten Texten wird immer wieder das Schwere auf der Welt thematisiert. Mit einer gewissen Notwendigkeit dies zu tun und den Versuchen sich nicht aufzugeben, stechen Endless Wellness in ihren Songs hervor.

B: In einem Interview sagt Philipp, dass ein guter Popsong heutzutage weh tun muss. Wieso ist das so?

PA: Weil Songs, die nicht irgendwo mittragen, dass die Welt brennt, Sachen verweichlichen oder eine Realität nicht anerkennen. Ich möchte gar nicht absprechen, dass es schon auch Spaß machen kann, nicht die ganze Zeit darüber nachzudenken, dass wir alle vor die Hunde gehen. Aber was ich wertschätze, ist, wenn es schon mitgedacht wird.

HH: Wenn man musikalische oder textliche Zufluchtsorte schafft, ist es immer ganz gut, dass der Ort, von dem man wegläuft, mitschwingt, selbst wenn ich mich in eine Fantasiewelt flüchte.

B: Aus Schöne Dinge stammt die Zeile „manchmal denk ich, es wär leichter ich gäb mich auf.“ Wie schafft man es sich mit schweren Themen zu beschäftigen und Dinge zu benennen, die weh tun, ohne sich dabei aufzugeben?

PA: Was die Songs machen, ist eine Übersetzung vom Drüber-Reden. Ich glaube dieses Ausformulieren, selbst wenn man keine Lösung hat, ist schon ein Aufbegehren oder ein Nicht-Aufgeben.

HH: Man muss eigentlich den ganzen Satz nehmen, weil es dann mit „Ich bin ja keine Postkarte“ weitergeht, und da haben wir den Humor wieder drinnen, der noch ein Gegenmittel gegen die Probleme ist, die besungen werden.

MK: Zur Postkarte lässt sich auch noch sagen, dass sie ein Artefakt einer schönen Zeit ist, durch ein Bild, das man abfotografiert hat und als schön befindet. Was dann bleibt ist eine oberflächliche Bearbeitung einer Sache, die wahrscheinlich nicht nur ein Postkartenmotiv und ein paar Kalendersprüche war. Eine Postkarte ist auch eine offene Art der Kommunikation. Alle Leute können sie lesen und anschauen – im Gegensatz zu Briefen. Es ist schon humoristisch, weil es auch einen Wortwitz hat. Aber dass ich keine Postkarte bin, heißt auch, dass ich ein Mensch mit vielen Facetten bin, den man nicht einfach als ein wiederverwendbares, kitschiges Motiv draufklatschen kann.

B: Hat der Song Landwehrkanal eine gewisse Besonderheit, weil der Albumtitel daraus kommt?

MK: Es sticht musikalisch und gesanglich heraus im Vergleich zu den anderen Songs und hat auch einen besonderen Platz in unseren Herzen. Wir hatten einen extremen Magic-Moment mit dem Song. Wir sind ins Studio hineingegangen und haben nach ein paar Mal spielen einen Take gemacht, der so wunderschön und berührend war, wie wir den Song davor noch nie gespielt haben. Bandgeschichtlich hat der schon eine sehr große Bedeutung für uns in diesen ersten Studioerfahrungen.

HH: Aber selbst im Song ist die Zeile inhaltlich so platziert, dass eine gewisse Wandlung in der Haltung konnotiert wird. Das ganze Album ist irgendwo an einem Wendepunkt und ist zugleich ein Wendepunkt für uns alle.

Die Nostalgie für das, was nie so war

Mit einer drastischen (und realistischen) Betrachtung der Klimakrise versuchen die Mitglieder von Endless Wellness die Probleme zu benennen und erklären, wieso diese nur in Teilen ein Generationenkonflikt ist. Ebenso wagen sie einen kritischen Blick in die Vergangenheit und die Erinnerung an ebenjene.

B: Das Thema der Klimakatastrophe ist in einigen Songs vorherrschend. Habt ihr Wut oder Unmut gegenüber älteren Generationen?

HH: Die Leute sind immer von ihrem aktuellen Wissensstand ausgegangen und klar gab es damals auch Verdrängung, aber richtig wütend machen mich eigentlich die Menschen, die nach wie vor verneinen und nicht sehen wollen, was eigentlich passiert. Das ist nicht unbedingt so ein Generationending. Natürlich gibt es gewisse Tendenzen bei älteren Generationen, diese Dinge einfach abzulehnen, weil es zu gemütlich ist. Aber leider ist es auch so, dass es einen großen Teil der Bevölkerung gibt, der sich dem anschließt.

MK: Ich glaub es ist insofern schon ein Generationenkonflikt, als dass es um Dinge geht, die auch in der Vergangenheit schon hätten in die Wege geleitet werden können, um die aktuellen hochalarmierenden Situationen zu vermeiden. Dass sich die Klimakatastrophe so entwickelt wie sie sich jetzt entwickelt war seit den Achtzigern klar. Deswegen ist es sehr wohl ein Vorwurf an die Elterngeneration, die sich aber natürlich an Institutionen und Menschen in entscheidungstragenden Funktionen richtet.

B: Im Song Danke für Alles zitiert ihr den Song Summer of 69 von Bryan Adams, der aus dem Jahr 1984 stammt. Wie fiel die Entscheidung einen eher älteren Song einzubauen?

PA: Es sind mehrere Songs, die wir versteckt haben, die alle aus den Achtzigern sind. Es bezieht sich auch auf das, worüber wir jetzt gerade schon gesprochen haben. Die Zeit wäre schon längst dagewesen, um zu wissen, was passiert. Es ist immer so ein Anklingen davon, wie dringlich die Situation ist.

HH: Und Summer of 69 ist ein Song, der sehr in Nostalgie schwelgt. In den Achtzigern haben sie sich die Sechziger zurückgewünscht, die halt damals viel einfacher waren, statt sich anzusehen, wo es hinführt. Der Wunsch nach einfacheren Zeiten, wem hilft das?

MK: Und für wen waren die Zeiten einfacher?

 

Live kann man sich am 9. April im Porgy & Bess von Endless Wellness und ihrem Debütalbum überzeugen.

Previous
Previous

Broadway @Volksoper

Next
Next

Raubgold und Himbeereis