WAVES: Mit jeder Welle kommt ein Traum
Anfang Oktober verwandelt sich der Gürtel zu einem kollektiven Treffpunkt der Musikszene. Das Waves Vienna gibt jungen Artists die Möglichkeit, erste Erfahrungen zu sammeln, die eigene Kunst zu präsentieren. Bohema war bei einigen Highlights vor Ort.
Vandalisbin im Loop /// Klaus Zwinger ©
Das Waves Vienna ist ein Showcase Festival, explizit gemacht, um jungen Acts eine Bühne zu geben. Dieses Jahr beginnt jedoch alles vollkommen ungewohnt. Im Volkstheater mit großen Namen wie Christina Stürmer, Josh oder Oskar Haag kuratiert Oska die Eröffnung. Was zunächst unpassend wirkt, ergibt bei genauerem Hinsehen Sinn. Die Artists spielen ohne Gage, die Einnahmen der Veranstaltung werden in eine Artist Residency für aufstrebende Künstler*innen gesteckt. Das Waves Vienna zeigt, dass es tatsächlich alle Hebel in Bewegung setzt, um die junge Musikszene zu fördern. In den drei Folgetagen sind die Gürtellokale gestopft voll und die Stars von morgen dürfen ihre Shows casen.
California und Shootingstars
Das diesjährige Waves beginnt für mich mit der Band Flirtmachine. Im Loft bringt sie das Publikum mit melodischem Surf-Indie in Stimmung für das Festival. Die kalifornischsten Salzburger, die es gibt, überzeugen auf der Bühne mit träumerischen Klängen und einem durch das Loft schallenden „Miau“. Die Musik ist tanzbar und füllt den Raum, Flirtmachine liefert einen absolut stimmigen Beginn.
Beaks im B72 bringt einen totalen Stimmungswechsel - düsterer Sprechgesang über kreischenden Post-Punk-Gitarren. Aus der Lyrik kommend, macht Beaks Worte zu Instrumenten und lebt den Y2K-Vibe unserer Zeit mit einem Sex Pistols-Shirt auf der Bühne aus. Alles ergibt von vorn bis hinten Sinn, aber wirkt nie aufgesetzt. Ein Cover von Current Joys Kids, das auf der Bühne und im Publikum zu Tränen rührt, rundet einen beeindruckenden Auftritt ab.
Als Abschluss des ersten Tages spielt die neue Lieblingsband aller im B72 – Lovehead. Mit Denkst du an mich starten die drei jungen Burgenländerinnen dieses Jahr durch und haben seitdem nicht damit aufgehört. Zu dritt bringen sie eine wuchtige Energie auf die Bühne und spielen zwischen kleinen Neckereien ein rockiges Set, das im Grande Finale des Songs Erdnussallergie mit lautem Mitsingen und Moshpits endet. Es ist zwar längst kein Geheimnis mehr, doch man sieht immer wieder, wieso Lovehead in aller Munde ist.
Queer Love und Ermüdung
Tag zwei des Festivals beginnt mit einer vollen Ladung Ink Music. Zunächst spielt Filiah ein Set im Lucia, wo ihre Einflüsse von Fleetwood Mac bis Buena Vista Social Club zu hören sind. Ihre Musik fühlt sich zeitnah und modern an, dennoch als wäre sie schon seit Jahrzehnten fixer Bestandteil der Musikwelt. Trotz leichter Krankheit bringt Filiah mit starker Stimme ihre Songs auf die Bühne und darf sich einen Tag später auch noch über den Sieg beim Nachwuchswettbewerb des Festivals freuen.
Daraufhin spielt ihre Labelkollegin Jo, The Man, The Music im Rhiz. Mit sanfter Stimme singt sie darüber, wie es ist das Leben zu leben und das Erwachsensein zu manövrieren. Jos Texte beschreiben, wie schwierig es ist sensibel und verletzlich zu sein, aber gleichzeitig machen sie klar, dass man einfach immer weiteratmen muss – das reicht schon, um zu leben. Mit ihrem Indie-Folk zeigt Jo, The Man, The Music, dass Kunst aus Österreich klanglich mit ebenjener aus New York oder London locker mithalten kann.
Auch hochüberzeugend findet sich Vandalisbin im Loop ein. Gleichzeitig spielt sie Schlagzeug und singt, es geht um queere Liebe und wie kompliziert die eigenen Gefühle oft sind. Das Publikum kann gar nicht anders als zu tanzen und mitzusingen. In eindrucksvoller Live-Komposition mausert sich der deutsche Act zu meinem persönlichen Favoriten des Festivals. Das 45 Minuten Set wirkt eigentlich zu kurz für die geballte Power, die auf der Bühne steht. Vandalisbins erstes Wien-Set wird wohl kaum ihr letztes bleiben.
Der Abend wird beschlossen von der Supergroup Alles Exhausted. Ein Zusammenschluss von Bandmitgliedern aus Jansky, Pauls Jets, Fuzzy Brains und Culk bringt melancholischen Shoegaze auf die Bühne. Mit fließenden Übergängen werden die vielen Gitarren und verstrahlten Effekte zu einem Set voller berauschender Müdigkeit. Alles Exhausted hat einen genauen Plan, was auf der Bühne passiert und diesen Slot verdient, schade wirkt dabei nur, dass sie lediglich 25 ihrer 45 Minuten nutzen, durch die nahtlosen Übergänge ist man auch relativ schnell am Ende des gemeinsamen Repertoires angekommen.
PowerPoint und Punk
Bereits nachmittags beginnt der Abschluss des Waves Vienna 2025 - Fraeulein Astrid bespielt das Loop. Mit ihren überlagernden Gesängen und elektronischen Effekten schafft sie früh am Festivaltag zu begeistern. Ein strahlendes Outfit mit einem Gürtel aus Sternen fassen nicht nur die Erscheinung, sondern auch den Vibe Fraeulein Astrids zusammen. Ihre zarten Melodien werden untermalt von einer selbstverständlichen Bühnenpräsenz. Ganz im Sinne des Showcase-Aspekts spielt sie nicht nur ihre Musik, sondern macht auch Werbung – während ihr Bandmate den Laptop hält, zeigt sie dem Publikum eine Präsentation über sich selbst, mit der Betonung sie sei bereit von Labels zu hören.
Später füllen humming people den Kramladen bis zum Überschwappen. Die verträumten Indie-Sounds bewegen sich live mit entspannten Gitarrensounds und schwebenden Synthesizern durch den Raum. Nicht ganz zwei Jahre nach der Debütsingle erschafft das Duo, komplettiert von einem Schlagzeug, eine Soundwelt, die so weich und wohlig ist, man möchte am liebsten gar nicht mehr hinaus. Besonders bei Festivals besteht oft die Gefahr, dass das Publikum bei musikalisch ähnlichen Acts das Interesse verliert, doch keineswegs bei humming people - sie haben die Aufmerksamkeit der Anwesenden wie selbstverständlich bei sich.
Meine letzter Waves-Act EASY EASY ist eine deutsche Indie-Punk-Band, die genau weiß, wie sie Körper in Bewegung bringt. Nach technischen Problemen zu spät begonnen rocken sie die Bühne des Lucia. Mit einer immensen coming-of-age-energy tanzt die Band ebenso wie das Publikum zum absoluten Exzess zwischen glitschenden Synths und post-rockiger Imperfektion. Auch hier geht sich leider nur ein kurzes Set aus, als die Band die Bühne verlassen muss – sie hatten bereits überzogen – wünscht sich das Publikum sehnlichst eine Zugabe, auch wenn alle Anwesenden bemerkt hatten, dass diese nichts mehr wird.
Zum fünfzehnten Jubiläum geht das Waves Vienna neue Wege, bleibt sich dabei aber treu. Man nutzt das musikalische Netzwerk und schafft nicht nur die Bühnen am Gürtel entlang, sondern auch einen Weg bereits etablierte Artists zu mobilisieren und die nächste Generation zu unterstützen. In einer Kulturwelt, die sich an wirtschaftlichem Profit orientieren muss, ist das Waves Vienna mit seiner Liebe zur Musik und der unabdingbaren Unterstützung für neue Stimmen eine der letzten Bastionen für die Förderung junger Artists. Die diesjährigen Acts sind Beweis genug, dass auch bisher weniger etablierte Künstler*innen große Aufmerksamkeit verdient haben, schließlich haben (fast) alle klein angefangen.

