Teddy und der Comedy-Boom

Toxische Pommes, Teddy Teclebrhan, grindig und Co zeigen: Je übler die Zeiten, umso mehr floriert der Humor. Bis irgendwann die Zeiten so übel werden, dass Comedians abgeschoben oder eingesperrt werden.

© Urban Zintel

Eine erste Version dieses Artikels ist in der ‚Presse‘ erschienen.

Klimakrise, Krieg fast vor der Haustür und toxische Polarisierung überall: Während sich die Welt dem Abgrund nähert, floriert zumindest die Comedyszene. Die alte Regel greift noch: je härter die Zeiten, desto größer der Bedarf an einem Ventil, um den Druck rauszulassen. Und Stoff für Stand-up und Co liefern gestörte World Leaders à la Trump en masse. 

Der Comedy-Boom veranlasst Lokalmatadoren, ihre alten Stoffe zu entstauben: Am letzten Montag las Josef Hader mit Alfred Dorfer in Linz gleich zweimal Indien. Am gleichen Tag war auch der Auftakt zu Michael Niavaranis ersten Soloshow seit Jahren: Er gab im Simpl Homo idioticus 2.0, eine getunte Version seines Programms aus 2014. Wie groß der Boom tatsächlich ist, zeigen zwei Comedy-Acts in der Stadthalle. Der deutsche Comedian Bülent Ceylan füllte letzte Woche zweimal die Halle F mit insgesamt 4000 Menschen. Und der deutsch-eritreische Showman Tedros „Teddy“ Teclebrhan brachte am Freitag und am Samstag sogar 32 000 Fans zur Ekstase.

Schwäbisch meets Kiezdeutsch

Geboren ist Teclebrhan 1983 in Eritrea, dann als Baby mit seiner Mutter vor dem eritreischen Unabhängigkeitskrieg geflohen und aufgewachsen im schwäbischen Ländle. Schwäbisch ist ein zentraler Bestandteil seiner Comedy, oft gemischt mit Kiezdeutsch. Schlagartig berühmt wurde der gelernte Schauspieler 2011 mit dem YouTube-Video Umfrage zum Integrationstest (was nicht gesendet wurde), in dem er erstmals die Figur Antoine Burtz verkörperte. Die knapp 50 Millionen Views begründeten seine Karriere als improvisierender Showman der Sonderklasse. Er hatte seitdem mehrere Fernsehshows, in denen er mit Antoine und anderen Figuren herumspielt.

In Wien trat er zunächst als er selbst auf, joggte zu lauter Musik und noch lauterem Fan-Gekreische wie ein Star-Rapper auf die Bühne. Im ersten Teil der Show gab er sich als klassischer Stand-up-Comedian, zerlegte virtuos Genderklischees, erzählte lustig nuschelnd von seiner starken Mutter. Er traute sich aber auch, ernst zu sein. Als er über das erste Treffen mit seinem Vater als erwachsener Mann erzählte, nuschelte er plötzlich nicht mehr und es wurde ganz still und emotional. 

Auf einem Niveau mit Eddie Murphy und Robin Williams

Bald wurde aber wieder gelacht, als er sein erstes Alter Ego auftreten ließ. Ernst Riedler ist ein schwäbischer Rentner in Beige mit Schnurbart und Schiebermütze. Teclebrhan ist beim Verkörpern von verschiedenen Figuren ganz in seinem Element; der rassistische Ernst und die darauffolgende Edeltussy Percy verkörperte er auf dem allerhöchsten Niveau, wie seinerzeit Eddie Murphy oder Robin Williams. Letzteren zählt er neben Chaplin und den Marx Brothers zu seinen Vorbildern. Ihn inspirieren alle, „die eine Traurigkeit, eine Tiefe hatten“.

Die dritte Figur war dann der selbstverliebte Starmusiker Lohan Cohan. Singen kann Teclebrhan auch, tanzen sowieso (was kann dieser Mann eigentlich nicht?). Seine Fans sangen seine Lieder auswendig mit, begleitet wurde er von einer großen Liveband, Backgroundsängern und Tänzerinnen. Plötzlich fand man sich in einem Konzert. Die kreative Energie des Teddy Teclebrhan war auch nach der Pause kaum zu bändigen: Er half einem Mann aus dem Publikum, seiner Zukünftigen einen Heiratsantrag zu stellen, ließ einen riesigen Wellensittich aus Pappe durch den Saal fliegen und rannte kreuz und quer durch den ganzen Saal, um mit möglichst vielen Fans zu interagieren. Sie beteten ihn fast wie einen Messias an und hätten ihn gefühlt am liebsten lebendig aufgegessen, wie Grenouille am Ende von Süskinds Das Parfüm.

Zur Comedy-Hochkonjunktur tragen neben den deutschen Stars auch heimische Künstler*innen bei. Was sie oft verbindet: Wie Teddy, sind auch Toxische Pommes, Dr. Bohl oder grindig über Instagram oder YouTube berühmt geworden. Das ist ein weiterer Grund für die Blütezeit des Kabaretts: Wie Thomas Pigor singt, gibt es hier „keine Dramaturgen, keine eitlen Regisseure, keine Intendanten, keine ignoranten Redakteure“, die den Creators mit Marktforschung, lahmen Ideen oder zu viel Political Correctness die Arbeit vermiesen würden. Wenn sie aber dann einmal berühmt sind, werden sie von all den Creative Directors mit Möglichkeiten überhäuft, wie im Fall von Teddy. Zu unser aller Wohl, wie zum Beispiel bei The Teddy Teclebrhan Show auf Prime Video.

Teddy erobert Amerika?

Deutschland wird für Teclebrhan langsam zu klein, als nächstes möchte er internationale Filme drehen. Wenn einer Hollywood kann, dann dieser fulminante Alleskönner. Außer, wenn Trump sich doch zum echten Diktator krönen lässt. Autokraten bieten nur bis dahin guten Stoff für Comedy, bis Humor irgendwann zensiert wird, wie in Russland. Teclebrhan beginnt seine Shows in Deutschland mit „Danke, dass ich hier sein darf“ und meint damit die verfassungs- und menschenrechtswidrigen Remigrationspläne der AfD (und der FPÖ), die würde ihn trotz seines deutschen Passes am liebsten abschieben. Ein Grund mehr, das Verbotsverfahren bald einzuleiten. Teclebrhan ist einer der außergewöhnlichsten Künstler des Landes.

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Die Kunst der Immersion