Puccini gegen Puccini

Kampfansage an die „alten weißen Männer“: In Lotte de Beers La Rondine an der Volksoper rebellieren die Protagonistinnen.

Take this, alte weiße Männer! /// Parbara Pálffy, Volksoper (c)

Lotte de Beers „La Rondine" an der Wiener Volksoper ist zweifellos eine mutige Neuinterpretation des späten und selten gespielten Puccini-Stücks. Mit gehörigem Augenzwinkern stellt sie so manch traditionelle Erwartung an den Italo-Herzensbrecher der Oper auf den Kopf und punktet mit kreativen Regieeinfällen. Für den gewöhnlichen Staatsopernabonnenten und Regietheaterkritiker sind sie geradezu perfekt geeignet, um entrüstet die Nase rümpfen zu können. Wohl auch, weil dieser in aller Regel zur Gattung „alter weißer Mann“ gehört und schon im Publikumsvorgespräch mit der Intendantin klar wird: für ihn geht’s hier ans Eingemachte!

Who’s telling the story?

Von Anfang an ist denn auch klar, dass diese Aufführung keine gewöhnliche sein wird: die unter der musikalischen Leitung von Alexander Joel produzierten Klänge des operettenhaften Puccini – der so operettenhaft meist gar nicht ist – mischen sich mit historisierendem Bühnenbild und pastellfarbenen Kostümen während in der Bühnenmitte Übertitel mit Kommentierungen in Schreibmaschinenästhetik Teil des Geschehens werden. Es entpuppt sich, dass Dichter Prunier, seines Zeichens „alter weißer Mann“, an dieser Schreibmaschine sitzt und in Echtzeit das Libretto „mitverfasst“.

Im Verlauf des Stückes wird er in einen schöpferischen, ganz und gar schonungslosen Schlagabtausch mit Zofe Lisette geraten, die ihm mit der nicht nur sprichwörtlichen emanzipatorischen Feder feministische Paroli bietet. De Beer schafft es damit, einen kritischen Blick auf das Frauenbild der Zeit (oder gar unserer Zeit?) zu werfen und bringt die Unterdrückung der weiblichen Figuren leibhaftig auf die Bühne. Da bleiben auch den „alten weißen Männern“ im Publikum die Worte im Hals stecken.

Take this, alte weiße Männer!

Mehr noch: Am Ende wird Puccini gegen Puccini ausgespielt. Indem Hauptfigur Magda die tragischen Tode der Puccini-Heldinnen aus „Tosca“, „La Bohème“ und „Madama Butterfly“ auf die Schippe nimmt und sich stattdessen selbstbestimmt von der Vergangenheit befreit, gelingt ein subversiver Eingriff, der nicht nur Lacher im Publikum erzeugt, sondern auch die Frage stellt, ob wir uns von den überlieferten Klischees befreien sollten, die uns von den „alten weißen Männern" auferlegt wurden, zu denen wir wohl oder übel auch Giacomo Puccini zählen müssen. Das Ganze wird untermalt von einer eigens vom Dirigenten zusammengestellten Coda, welche die bereits durchlaufene musikalische Reise reminisziert.

Allerdings hat diese Herangehensweise auch ihre Schwächen. Manchmal neigt die Inszenierung dazu, überladen zu sein und der feine Balanceakt zwischen Humor und Ernsthaftigkeit gelingt nicht immer. Es ist, als ob de Beer so sehr darauf bedacht sei, traditionelle Erwartungen zu untergraben, dass sie die (auch subversive) Kraft der Musik, der emotionalen Tiefe, die aus ihr spricht, aus den Augen verliert. Diese Tiefe schimmert nur manchmal durch. Etwa wenn Matilda Sterby als Magda kraftvoll und ergreifend den Traum der Doretta nach wahrer Liebe mit ihrem eigenen Schicksal verwebt. Oder wenn Leonardo Capalbo als ihr frommer Liebhaber Ruggero angesichts der Unmöglichkeit der Beziehung mit seinem klagend-flehenden Tenorgesang auftrumpft. Das Pathos am Ende – trotz aller Ironie – ist schwer erträglich, aber vielleicht sollte es das auch sein.

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