Berlinale ‘24: Love Lies Bleeding & Cuckoo

Scream Queens und Gymrats: zwei queere Genrefilme der diesjährigen Berlinale.

Love Lies Bleeding /// (c) A24

Es ist an der Zeit für queeres Kino, welches sich wegbewegt von den exklusiven Narrativen des Coming Outs und der sexuellen Selbstentdeckung. Gleichberechtigung kann in dem Kontext eben auch bedeuten, queere Charaktere selbstverständlich in alle möglichen Genres einzubauen. Queerness als Facette der Handlung zu verstehen, anstatt als ständigen Dreh- und Angelpunkt.

Lange Rede, kurzer Sinn- Samstags liefen zwei Genrefilme, beide mit queeren Frauen als Hauptcharaktere, beide aber mit dem Fokus, in ihren jeweiligen Genres zu funktionieren. Mit ziemlich unterschiedlichen Ergebnissen.

Cuckoo  ist wirklich durchwachsen. Das ist schade, weil der Film extrem stark anfängt. Die bayrischen Alpen werden als merkwürdig esotherischer Nichtort inszeniert, voller Synthesizer-Musik, desorientierenden Horroreffekten, angedeuteter Folklore, deplatziert wirkenden Szenen und Charakteren, die als Locals vorgestellt werden, aber von internationalen Darsteller*innen mit simuliertem deutschen Akzent gespielt werden. Diese erste Hälfte, in der sich alles fast nach klassischem Horror anfühlt, aber irgendwie auch gar nicht, fesselt und läd zum mitraten ein.

Umso enttäuschender ist es, dass der Film gen Ende von vielversprechendem Nonsens in inkompetent wirkenden Nonsens abdriftet und sich das Gefühl einschleicht, dass viele der bisherigen verunsichernden Aspekte eher auf Fehltritte als auf surrealistischen Intent zurückzuführen sind. Und spätestens als Dan Stevens in seinem dämlichen „deutschen“ Akzent quasi in die Kamera guckt und den Titel des Films ausgiebigst erklärt, überwiegt der Frust. Ein Lichtblick hingegen ist Hunter Schafer, die nach einer Karriere voller Nebenrollen und Serienauftritten zum ersten Mal eine Langfilmhauptrolle übernimmt. Zwischen adoleszenter Motzigkeit und ehrlicher Verletzlichkeit bleibt sie wunderbar charmant und schafft es, sich zwischen kreischenden Monstern als wahre Scream Queen herauszustellen.

Zwischen motzig und verletzlich bewegen sich auch Kirsten Stewart und Katy O’Brian in Love Lies Bleeding. Deren Charaktere müssen sich als frisch verliebtes Paar mit ihrem kriminellen Umfeld herumschlagen- und bleiben dabei herrlich moralisch verwerflich.

Vielleicht ist vor allem das ein Aspekt der queeren Feminität, die mir bisher im Genrekino gefehlt hat- Antiheldin sein zu dürfen, anstelle der perfekten Repräsentationsfläche, der omnikompetenten Frau, die sich keine Fehler erlauben darf. Rose Glass schafft es in ihrem zweiten Langfilm beachtlich gut, einen schwarz-komödiantischen Ton beizubehalten und ihren Hauptfiguren trotz der stattfindenden Absurdität und Gewalt Empathie entgegenzubringen. Der weibliche Körper wird, vor allem durch den starken Fokus auf Bodybuilding, gleichzeitig abstrahiert und wahnsinnig greifbar gemacht. Erotik und das Groteske verschränken sich, Sex und Steroidmissbrauch werden in Montagen wild durcheinandergeschnitten. Ob in Momenten des weiblichen Begehrens, der Aggression oder der Verletzung - der Film bleibt viszeral und entkoppelt sich so komplett von (Achtung; Buzzword!!) bekannten Kinomechaniken des Male Gazes.

Besonders wichtig ist das im Angesicht anderer Berlinale-Filme, deren misogyne Untertöne etwas schockieren. Aber um die soll es hier noch nicht gehen. Wer Lust hat, Frauenfiguren zu erleben, die deswegen stark sind, weil ihnen erlaubt ist, auch mal schwach zu sein, oder wem einfach nach einem spaßigen Crime-Erotikthriller ist, dem sei Love Lies Bleeding wärmstens ans Herz gelegt.

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