Berlinale ‘24: Die Deutschen und ihre Männer - Bericht aus Bonn

Was findet man auf der Berlinale zuhauf? Deutsche Männer! Ein Blick auf Helke Sanders “Bericht aus Bonn”, der in der Retrospektive zu sehen war.

(c) Helke Sander / Deutsche Kinemathek

Im Rahmen der Retrospektive der Berlinale, fährt 'Lieschen Müller’ als Österreicherin 1998 nach Bonn und sucht dort einen Mann. Einen, mit dem sie eine romantische Beziehung eingehen kann. Sie findet zwar, was sie sucht, aber muss auch feststellen, dass sie nie wirklich gesucht hat, was sie in Bonn finden wird: Deutsche Männer. Die werden von Lieschen quasi-anthropologisch auf der Straße befragt und zeigen damit in den Interviewsequenzen, aus denen der Film besteht, ihr Gesicht.

 „Kein phallisches Symbol (…)“, so ein Herrenausstatter, „denn die Krawatte zeigt ja zum Kopf und ist Ausdruck des Charakters!“. Diese Funde und Begegnungen sind unglaublich(,) lustig und in ihrem historischen Charme erstmal zum Lachen. Dann schleicht sich der Gedanke ein, dass das die Generation der eigenen Väter ist.

‘Lieschen’ hat sich informiert: Zwei Prämissen, eine Frage:  90% der Männer wollen damals heiraten. 21.900.000 Freier gibt es in diesem Jahr in der deutschen Mann-Schaft. „Sehen sie hier einen Zusammenhang?“

 Die filmische Feldstudie der Regisseurin Helke Sander kennt zwar nur binäre Kategorien und ist in diesem Rahmen dennoch bissig. In Verbindung mit Statistiken zu übergriffigem Verhalten, stellt sie den Männern die Frage: „Schämen sie sich manchmal ein Mann zu sein?“ Selbstbewusst und einstimmig setzt der deutsche Männerchor zur Hymne der Eigenverantwortung an. Übergriffigkeit – dass sind die wilden anderen. Eine Nabelschau, bei der der Wohlstandsbauch den Blick auf die eigene Geschlechtlichkeit verstellt.

Der Film stellt die Verwahrlosung im patriarchalen Privileg aus. Wenn das ein Mann ist, dann will ich keinen. Das ist Lieschens Schlussfolgerung. Was sie findet, ist kein Mann fürs Leben, sondern nur/mehr Frauen*, die sich immer lauter fragen, was das eigentlich ist was sie angeblich wollen sollen.

Auch wenn die Retrospektive ein vermeintlich leichtes Opfer für einen Verriss darstellt, ist die Frage nach der eigenen Verantwortung für die Gemeinschaft aktueller denn je. Damit befragt diese Retrospektive nicht nur die Vergangenheit als solche, sondern lässt sich in ihrer gegenwärtigen Position auch von der Vergangenheit befragen: Quo Vadis (deutsche) Männer?

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