HILFE!!! ZAHMES PFERD ENTLAUFEN!!!
Pulsierend wie eh und je gibt sich Luis Ake auf seinem neuen Album Ehrenvoll, Luis Ake tiefen Gefühlen, der Suche nach seinem Pferd und kompakter Popmusik hin.
Luis Ake im Feld /// Hanna Fasching ©
Pferdeliebhaber, Flötenspieler, Kunstfigur? Wer genau ist Luis Ake denn nun in seiner Kunst? Wie schon auf seinem letzten Album Liebe geht es auf beinahe überdrehten Popsongs nur um das eine. Einen Tag vor Beginn seiner Solo-Tour, unterhält sich Bohema mit Luis Ake über Pick-Me-Vibes, die Einsamkeit der Vienna International City und die Frage nach der Ernsthaftigkeit in seiner Kunst.
Bohema: Wie geht es dir inmitten von Albumstress und Tourvorbereitung?
Luis Ake: Dadurch, dass ich das Projekt schon sehr lange allein mache, bin ich natürlich sehr gut organisiert und kenne mich in diesen Situationen. Aber jetzt in diesem Fall, ist es fast unmöglich, nicht gestresst zu werden. Zudem ich jetzt einen Monat weg bin und 22 Konzerte spiele. Eine Grundnervosität, ob alles funktioniert, ist da.
B: Es hört sich schon intensiv an.
LA: Es gibt keinen physischen Release für das Album, also muss man Social-Media Arbeit machen, was viel Zeit verschlingt, und wenig Bock macht. Es ist nicht mehr so aufregend, wie früher vielleicht, weil es auch nicht mehr mein erstes Album ist.
B: Ist das Album im Prozess entstanden, oder dachtest du dir davor, es muss ein gebündeltes Album mit Konzept werden?
LA: Meine letzte EP Horse Trance: Melodien der Freiheit habe ich aus einer Stimmung heraus gemacht, weil ich mich ein bisschen befreien wollte. Jetzt ist wieder das gegenteilige Gefühl da, dass man etwas macht, das sehr exakt ist und die Form der Popmusik ernst nimmt. Aber es gab kein übergeordnetes Konzept, sondern viele Entwicklungsschritte. Dadurch, dass viel Musik erscheint, ist die Qualität sehr schwankend. Ich höre kaum moderne Musik, aber das meine ich gar nicht despektierlich, sondern aus persönlichem Interesse dafür Bewusstsein für große Momente zu schaffen.
Das Meme Luis Ake
Die Figur Luis Ake kennt man als Pferdenarr, in lächerlichen Outfits und mit einer Ästhetik, die schon einige Jahre zurückliegt. So passiert es oft, dass mit diesem Auftritt auch die Kunst dahinter nicht ernst genommen wird.
B: Der Titel des Albums hört sich nach dem Ende eines Briefes an. Wie kam es dazu?
LA: Das Wort „ehrenvoll“ stammt von einem Amateurmusiker, den ich lange verfolge. Die Idee von amateurism in der Musik in einer Welt, wo man versucht, professionell zu sein, interessiert mich sehr. Auch die ganze Bildsprache von Luis Ake ist darauf aufgebaut. Es geht um den Mann und die Idee, sich selbst so ernst zu nehmen, dass man gar nicht mehr reflektieren kann, dass man vielleicht auf dem Bild ein bisschen blöd aussieht. Das passiert oft bei Männern, die sich so anziehen und dann total lächerlich aussehen. Gleichzeitig ist es aber auch die letzte Zeile in einem Brief. Das, was man darunter gibt, bevor man es abschickt. Für mich ist es ein Abschließen von diesem sehr langen Kapitel.
B: Wenn du dein Album als Pferdeart charakterisieren müsstest, welche wäre es und warum?
LA: Diese Arbeitspferde, die vorne über ihren Hufen Fell haben und die es oft in Nordeuropa gibt. Nicht nur, weil sie schön aussehen, sondern weil sie auch sehr effizient sind. Dieses Album ist in der Pop-Hinsicht sehr effizient und das war auch das Interesse daran, deshalb ist da auch sehr viel Arbeit reingeflossen.
B: Wie findest du die Ernsthaftigkeitsdiskussion, die deiner Kunst trotz aufwändigem Prozess und emotionalen Themen anheftet?
LA: Total lächerlich. Bevor es das Meme als Werbung gab, passierte das öfters. Durch TikTok hat sich do-it-yourself selbst überholt. Dieses Prinzip, etwas selbst zu machen, was zu einer Ästhetik und dem Infragestellen der Ernsthaftigkeit führt, gibt es auf eine Art nicht mehr. Der Witz auf Social-Media ist in der Musik mittlerweile total implementiert, weil das die einzige Möglichkeit der Werbung ist. Dadurch wird mir diese Frage nicht mehr so oft gestellt. Es ist unheimlich schwierig als Musiker mehr zu transportieren als das, was die Musik ist und was auf Social-Media gezeigt wird. Die klare Grenze zu Künstlern, die oft als Vergleich herangezogen werden, ist für mich allein wichtig. Die Musik muss mir Spaß machen und meinen Geschmack treffen.
Die Einsamkeit moderner Stadtplanung
Luis Ake durchquert ganz Wien auf der verzweifelten Suche nach seinem Pferd. Oder doch nach etwas Anderem? Schließlich besingt er auch, verzweifelt verliebt zu sein und erklärt, ob sein Song Anders Pick-Me-Vibes hat.
B: Was macht Wien als Stadt für junge Künstler*innen aus? Du verbringst doch relativ viel Zeit hier.
LA: Das Künstlerische ist in der Hochkultur dieser Stadt aufgrund ihrer Historie implementiert und Teil der Gesellschaft. Dadurch habe ich das Gefühl, dass die Kunst immer da war und schon ihren Platz hat, das ist angenehm. Andererseits merke ich auch, dass es eine österreichische Musik- und Kunstszene gibt, in die ich als deutscher Künstler nicht hineingehöre, aber ich glaube diese Trennung ist auch etwas Gutes.
B: Wie hast du die Orte im Living in Wien Musikvideo ausgewählt?
LA: Das Video erzählt den Tag von jemandem, der sein Pferd sucht, aber bildet auch die Stadt ab. Meine subjektive Wahrnehmung beginnt im sechzehnten Bezirk, geht dann in der Innenstadt weiter und der Mittelpunkt der Stadt wird durchquert. Gegen Ende des Videos wird es immer einsamer und steriler. Im Vienna International Centre, wo ich schon das Monogamie Video gemacht habe, ist man durch die absurde Architektur saueinsam. Es ist der Inbegriff von moderner Stadtplanung.
B: Der Song Anders beginnt mit der Zeile: „Du bist einfach so anders, als die anderen waren.“ Oft werden ähnliche Zeilen als abwertend gelesen oder als Pick-Me-Vibe kategorisiert. Wie siehst du das?
LA: Natürlich muss man mit solchen Sachen vorsichtig sein. Ich habe auch darüber nachgedacht, aber dadurch, dass es eine persönliche Angelegenheit ist, sehe ich keinen Grund, mehr Gedanken darüber zu verschwenden. Es ist nur eine Phrase, die auch gar nicht in Kontext gesetzt wird, so werden keine Vor- oder Nachteile unterschieden. In der Zeile gibt es keinen wertenden Aspekt, sondern den Ausdruck einer neuen Erfahrung.
B: War bei Ich bin nur ein Kohlenstoffatom Yuknos Song Risse eine Inspiration? Schließlich gibt es da eine ähnliche Zeile.
LA: Das ist tatsächlich ein Zufall. Das kommt aus rein chemischem Interesse an der Welt und woraus alles besteht. Die Idee von dem Lied ist, alles auf einer Makroebene zu beleuchten. Es gibt den Sonnenstrahl, die Sommersprosse, das Kohlenstoffatom im Winkel der Lippen. Es ist ein Vergrößerungsglas auf eine Situation, wo jemand verzweifelt verliebt ist.
Stimmliche Kontraste, Indie-Gitarren
Luis Akes energische Art zeichnet ihn aus. Doch auf seinem Album will er auch Kontraste schaffen, stimmlich und klanglich. So organisiert er zwei Features. Eines, das absolut Sinn ergibt, und eines, das eher überraschend kommt.
B: Wie kam der Kontakt mit den Features Faber und Tränen zustande?
LA: Faber und ich haben viele gemeinsame Freunde. Mein Produzent Konrad Betcher und ich hatten das Gefühl, dass es diesem Song guttun würde, wenn da eine andere Stimme wäre, die ein Kontrast zu meiner ist. Mit Tränen lief es ähnlich. Während Faber in einer anderen Welt stattfindet, sind Tränen eher meine Welt. Über dem Studio in Berlin, wo ich aufnehme, wohnen sie, wenn sie in der Stadt sind. Ich bin einfach Fan, das hat sich angeboten.
B: Wie lief die Zusammenarbeit mit Tränen?
LA: Wir hatten diesen sehr Indie-mäßigen Song und hatten den Wunsch, eine weibliche Stimme und eine Gitarre darauf zu haben. Sonst ist meine Musik meist eher mit einem Synthesizer. So war das eine gute Möglichkeit, dem Song eine weitere Ebene zu geben.
B: Das Album geht mit Fabers Stimme, also mit einem Kontrast, zu Ende. Wie fiel die Entscheidung, dass der letzte stimmliche Moment des Albums nicht von dir selbst kommt?
LA: Das Album ist relativ kurz, die Songs sind kompakt. Am Ende gibt es eigentlich keinen Moment der Ruhe, es wird einem gar keine Zeit gelassen, sich zu entspannen, außer beim letzten Lied. Schlag im Notfall die Scheibe ein ist ein Reset, nach dem man wieder von vorne beginnen kann.