Das Leben als masochistisches Lustspiel

Ein lustvoller Abend, gezeichnet durch dramatisches Geigenspiel und harte Peitschenschläge. Venus im Pelz im Theater Nestroyhof/Hamakom zeigt, wer hier die Zügel in der Hand hält.

(c) Melina Marcher

TW: physische und psychische Gewalt

Wenn man Masochismus hört, kommt einem wohl ein lustvolles Spiel à la Fifty Shades Of Grey in den Sinn - zumindest erging es mir so als ich dieses Wort in der Stückbeschreibung las. Ganz falsch lag ich mit dieser Annahme nicht, denn Schmerz, Lust und Peitschen werden auch in dieser Inszenierung noch eine wichtige Rolle spielen. Leopold von Sacher-Masoch, welcher die Novelle Venus im Pelz 1870 verfasste, lässt Scham und Lust näher beieinander liegen als man vermuten mag. Er ist „Vater der Perversion“, Namensgeber des Masochismus. Ein Titel, welchen man entweder mit Stolz oder Scham zu führen vermag.

Die Geschichte folgt dabei dem hitzigen Verhältnis zwischen Severin und Wanda, welche sich in ein Lustspiel des Masochismus begeben. Von traumatischen Erfahrungen geprägt, möchte Severin dabei nicht nur Wandas “Sklave” sein, sondern ist sogar bereit, sich bis zum Tod zu unterwerfen.

Wahnhafte Sklaven und trügerische Dominas

Welche Machtverhältnisse stecken hinter gesellschaftlichen Rollenbildern? Wer kann über Macht verfügen - und ist diese gleichzusetzen mit einer Überlegenheit, oder doch ein bloßer trügerischer Schein der eigenen Unterwerfung? Die Inszenierung von Venus im Pelz von Azelia Opak und dem diverCITY lab, in der Hauptbesetzung Lucy McEvil und Jonas Kling, verspricht dabei, sich mit eben jenem Spiel des Schmerzes und der Lust im Sinne gesellschaftlicher Machtdynamiken zu beschäftigen. Dabei soll die Trennlinie zwischen bloßem Fantasieren und tatsächlichem Ausleben verschwimmen; eine vielleicht notwendige Meta-Ebene um Grausamkeit charmant auf die Bühne zu bringen. Die Geigenklänge der Live-Musikerinnen bietet dabei eine Untermalung der anbahnenden Spirale in die psychotische Liebe. Wer hier über Macht verfügt und wie diese aussehen kann, bleibt bis zum Ende ein trügerisches Spiel. Denn Macht ist keine festgeschrieben Entität, kein Vertrag den es zu unterzeichnen gilt; wer Macht hat packt das masochistische Spiel des Lebens bei den Haaren, um es anschließend unter die Guillotine zu werfen. 

Auspeitschung der Monogamie

Ein schlichtes Bühnenbild bestehend aus Bett, Tisch und Stuhl bietet dabei die Schaufläche dieses grausam amüsanten Lustspiels. Die Verhandlungen von Geschlechterverhältnissen scheint dabei etwas unterzugehen, jedoch lässt sich das Potential einer Diskussion über Beziehungsmuster erkennen. Wo genau beginnt das Betrügen und bei welchen Lustspielchen hört es auf? „Ich liebe jeden, der mir gefällt“ beteuert die Venus im Pelz und löst dabei im Publikum nicht nur Gelächter aus, sondern eröffnet auch einen Diskurs offener Beziehungsmodelle. Ist Monogamie die Lösung oder Wegbereiter zur krankhaften Obsession? Das Genießen einer sexuellen Freiheit scheint dabei immer mehr Akzeptanz zu gewinnen, bei der Liebe werden jedoch harte Grenzen gezogen. Wo trennen sich Körperlichkeit und emotionale Zuneigung und wie kann dies im Masochismus eine Einordnung finden?  

Venus im Pelz überzeugt durchaus mittels einer amüsant dominanten Atmosphäre jedoch bleibt das Stück weitgehend kommentarlos. Wie so oft eröffnet sich mir die Frage, inwiefern endlose Neuinszenierungen vergangener Texte mit veralteter Sprache noch dem Interesse des Zeitgeistes entsprechen. Ist es nicht an der Zeit, den Tabus radikaler ins Gesicht zu blicken, muss man sich weiterhin hinter kryptischer Poesie verstecken oder kann diese bekannte Geschichte auch eine (notwendige) blanke Fassade für die eigenen Phantasien bieten? 

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