Crazy Russian Rocks Konzerthaus

Daniil Trifonov schaut zwar so aus als wär er die letzten zwei Monate allein in einem Keller eingesperrt gewesen, aber er im Konzerthaus spielte so als ob er da unten ohne Pause Rameau, Mozart, Mendelssohn und Beethoven geübt hätte.

Daniil Trifonov beim Spielen /// Deutsche Grammophon (c)

Die russische Klavierschule ist eine überaus expressive Schule, die von außergewöhnlichen pianistischen Mitteln getragen wird. Zu oft jedoch äußert sich dieser Ausdrucksüberschuss vor  allem in großen Akzenten und Crescendi, übertriebenen Effekten subito piano und pianissimi, die vor allem dazu dienen, die Zuhörerschaft zu beeindrucken und die Pianist*innen erfahren wirken zu lassen.

From Baroque Beginnings bis zur Romantik

Trifonov (wie auch Acardi Volodos) scheut sich vor diesen billigen Tricks, nirgends fiel das mehr auf als beim ersten Stück des abends, Jean-Phillipe Rameaus Suite a-moll aus den Nouvelles suites de pièces de clavecin, einem musiktheoretisch komplexen Barockwerk. Es erklang weder streng und seelenlos nach dem Metronom noch übertrieben russisch-expressiv, sondern genau perfekt um die barocken Nuancen herauszuhören. Es ist sicherlich keine Komposition, die für einen riesigen Konzertsaal gemacht ist, doch Trifonovs mächtiger Bösendorfer wirkte wie ein privater und intimer Clavichord, als wird er nur für sich selbst spielen. Der Applaus wirkte dafür umso intensiver.

Derselbe Mittelweg zwischen direkt und zu farbenfroh zog sich auch durch Mozarts Sonate 300K und Mendelssohns ernste Variationen. Sein Bösendorfer unterstützte ihm dabei blendend in allen Facetten, jedoch ohne übertriebene Härte. Schön, das im “Clavierland Wien” (wie Mozart es selbst nannte), ein Superstar wieder auf einem Wiener Instrument spielt.

Ein Beethoven-Kampf

Ferruccio Busoni sagte einst, Bach wäre das Fundament des Klavierspiels, Liszt der Gipfel, und beide machen Beethoven erst möglich. Bei der legendären Hammerklaviersonate Op. 109 war genau das zu sprüren. Trifonov, selbst hervorragender Bach- und Liszt-Interpret, spielte nicht analytisch, sondern ekstatisch. Seine Aufführung war lebendig und herausfordernd, aber auch ruhig wenn Ruhe gefordert war. Er kämpfte sich durch die manchmal fast unmöglich scheinenden Anforderungen Beethovens in der Partitur, und zwar mit vollen Risiko und ohne Rücksicht auf kleine Fehler, die dabei hätten auftreten können. Er scherte sich kein Bisschen um die die strengeren Wiener*innen im Publikum, die vielleicht einen etwas braveren, melodischen Beethoven erwarteten.

Musikalische Sprezzatura

Trifonov spielte das gesamte Konzert lang als ob das ausverkaufte Konzerthaus nur ein kleines Grüppchen wäre das ihm beim Üben zuschaut. Er schleppte sein Publikum in seinen Keller um es seiner Klangwelt einzuweihen. Er ließ die einzelnen Sätze bzw. Variationen kaum ausklingen, wendete sich mit nur kurze halbherzige Verbeugungen ans Publikum, dass mit jedem Applaus hysterischer wurde.

Pure Nonchalance zeichneten den Abend aus, aber durch die Leichtigkeit war das pure Virtuosokönnen, letztendlich auch in der jazzigen Zugabe, unverkennbar.

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