Alles Gute, liebes Kunstrückgabegesetz

Am 4. Dezember 1998 war es so weit: Die Österreicher*innen sahen langsam ein, dass sie doch irgendwie dabei gewesen waren. Das Kunstrückgabegesetz sorgt seitdem dafür, dass während des Nationalsozialismus enteignete Kunstgegenstände aus den österreichischen Bundesmuseen- sowie Sammlungen zurückgegeben werden.

Egon Schiele: Bildnis Wally Neuzil, Öl auf Holz, 32.7 × 39.8 cm, 1912, © Leopold Museum, Wien.

Das Kunstrückgabegesetz ist ein Gesetz, welches sich auf Kulturgüter des Bundeseigentums konzentriert. Damit startete eine systematische Untersuchung von österreichischen Museen des Bundes nach NS-Raubgut, die bis heute – ein Ende ist nicht in Sicht – fortgesetzt wird. Im Jahr 1998 gründete das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten unter der Leitung der damaligen Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) die Kommission für Provenienzforschung, deren erste Erkenntnisse die Grundlage für das Grundgesetz bildeten. Die Provenienzforschung setzt sich in diesem Falle als Aufgabe, herauszufinden, ob zwischen 1938 und 1945 erworbene Sammlungsgegenstände aus einem NS-Unrechts- oder gar Gewaltzusammenhang stammen.

Ausschnitt (Deckblatt) des 181. Bundesgesetzes Österreich: Kunstrückgabegesetze vom 4. Dezember 1998.

Der eigens dafür eingesetzte Kunstrückgabebeirat – eingerichtet im Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport – tagt mehrmals im Jahr über die eingereichten Empfehlungen in Form von Dossiers der Kommission für Provenienzforschung zur Rückgabe von bislang nicht restituierten Objekten, welche an ihre rechtmäßigen Besitzer oder deren Rechtsnachfolgerinnen zurückgegeben werden sollen. Am 23. November 2009 wurde das Kunstrückgabegesetz wiederum bereits novelliert, da die einzelnen Bestimmungen von 1998 zu eng gefasst waren. Um eine vollständige Rückführung von Kunst- sowie Kulturgegenständen ermöglichen zu können, wurde der Ausdruck ‚Kunstgegenstände‘ mit ‚und sonstiges bewegliches Kulturgut‘ ergänzt. Der Anwendungsbereich des Gesetzes wurde zudem nicht mehr nur auf österreichische Bundesmuseen- und Sammlungen beschränkt, sondern auf das unmittelbare Bundeseigentum ausgeweitet, welches zwischen 1933 und 1938 im gesamten Herrschaftsgebiet des Deutschen Reiches eingesammelt wurde.

Der Anstoß für den aktiven Beginn der nationalen Kunstrückgabe kam allerdings von außerhalb der Ländergrenzen Österreichs, als im Zuge der gastierenden Sonderausstellung Egon Schiele. The Leopold Collection, Vienna in New York im Museum of Modern Art Anfang Jänner 1998 zwei Gemälde beschlagnahmt wurden. Die Werke Bildnis Wally Neuzil (1912) und Tote Stadt II (1911) von Egon Schiele (1890-1918) standen durch die New Yorker Staatsanwaltschaft unter dem Verdacht, jüdischen Eigentümer*innen während der NS-Herrschaft in Österreich entzogen worden zu sein, wodurch eine Debatte entstand, wie mit sogenannter NS-Raubkunst umgegangen werden muss. Unter internationalem Druck erlassene Gesetze im Zuge einer ‚Wiedergutmachung‘ regten zwar in vorherigen Jahren die Rückgabe unrechtmäßiger Besitztümer bereits an – äußerts komplizierte, bürokratische Verfahren, welche abhängig waren von der Eigeninitiative der Betroffenen – allerdings entschied sich die Republik Österreich erst im Jahr 1998 für eine konkrete Grundlage zukünftiger Restitutionen. Wenige Tage nach der Beschlagnahmung in New York entschied das Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, die Archive in Hinblick auf Erwerbungen im Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit untersuchen zu lassen. Die Berücksichtigung von Kunstwerken nach 1945 wurde an die in der Provenienzforschung gesammelten Erfahrungen schlussendlich angepasst, da im Zuge einer bedenklichen Nachkriegspraxis einige ‚Widmungen‘ in den österreichischen Museen Einzug gefunden hatten.

Die Kunstgegenstände, deren Herkunft geklärt werden konnte, werden unentgeltlich an ihre ursprünglichen Besitzer*innen zurückgegeben und im Falle eines Todes an deren Rechtsnachfolgerinnen übermittelt. Falls diese Parteien nicht aufzufinden sind, werden die Gegenstände an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus übergeben und der Verwertungserlös kann für die im Bundesgesetz aufgeführten Zwecke verwendet werden.

Zurückgeben - klingt einfach, ist es nicht

Zum 25. Geburtstag des Kunstrückgabegesetzes bestehen weiterhin offene Fragen im Bereich der Forschung, vor allem auch, was die Täter*innen betrifft. Zwar ist Österreich im Moment das einzige Land weltweit, welches die Kunstrückgabe gesetzlich geregelt hat und dafür auch internationale Anerkennung bekommt, jedoch ist dies das Ergebnis eines sehr langsamen Prozesses. Österreich fühlte sich lange als Opfer des NS-Regimes und diesbezüglich nicht mitverantwortlich. In der Nachkriegszeit war kein Unrechtsbewusstsein vorhanden – weder in der Gesellschaft noch in der Gesetzgebung. Erst durch die ‚Waldheim-Affäre‘ (1986-1992) sowie der öffentlichen Beanspruchung von mehreren, herrenlosen Restitutionsgütern aus der NS-Zeit durch die Republik – untergebracht im ehemaligen Kloster Kartause Mauerbach – kam es zu einem Umdenken in der Bevölkerung und einer immer lauter werdenden Kritik. Die Fassade des Opfermythos musste zunehmend politischen Eingeständnissen der Mitverantwortung weichen.

Dadurch, dass die Vermögenswerte aller nach NS-Ideologie definierten Juden und Jüdinnen in der Vermögensanmeldung systematisch erfasst wurden, konnte sich das NS-Regime sowie deren Nutznießer*innen an erzwungenen Verkäufen, Beschlagnahmungen oder Pfändungen bereichern. Alles, was aufgrund des Ausfuhrverbotes im Land bleiben musste, wurde zur Handlungsgrundlage der Behörden – mit einem besonderen Fokus auf Kunstobjekte. Die erbeuteten Objekte wurden beispielweise in der Hofburg gelagert, über das Dorotheum versteigert, für das geplante Führermuseum in Linz gesammelt, von Antiquarinnen billig angekauft oder an Privatsammlern weitergegeben.

Gesammelt, aber um welchem Preis?

Das Kunstrückgabegesetz muss aufgrund der österreichischen Teilhabe am aktiven Changieren der geraubten Kunstgüter auf den Wiener Straßen auch heute noch Handlungsbedarf demonstrieren und über die Stadt hinauswirken. Sich ein Beispiel nehmend sollen Bundesländer, Gemeinden sowie private Einrichtungen geraubte Gegenstände sowie Vermögenswerte zurückgeben. Jedes Bundesland hat eigene Regelungen und Landesregierungsbeschlüsse, weswegen das Kunstrückgabegesetz nicht flächendeckend gültig ist. Seit 2006 existiert beispielweise eine Online-Kunstdatenbank, welche der Nationalfonds in Kooperation mit den Bundesmuseen Österreichs betreibt, damit die Herkunft von einigen bedenklichen Objekten noch geklärt werden kann.

Ausstellung Gesammelt um jeden Preis! Warum Objekte durch den Nationalsozialismus ins Museum kamen und wie wir damit umgehen im Volkskundemuseum Wien 2023, Foto: Kollektiv Fischka / Kramar © Volkskundemuseum Wien.

Doch auch dieses Projekt existiert auf der Bundesebene, weswegen an diesem Punkt besonders das Volkskundemuseum Wien positiv hervorgehoben werden kann, welches sich als privater Verein für Volkskunde im Jahr 2015 freiwillig verpflichtete, nach dem Kunstrückgabegesetz zu agieren. Hinsichtlich vieler problematischer Erwerbsgeschichten von Objekten sowie der Vergangenheit der eigenen Institution machten sie es sich zur Aufgabe, aktive Provenienzforschung zu betreiben, welche sie – kurz vor der Schließung ihres Hauses für eine Renovierung – aktiv ausstellten. Gesammelt um jeden Preis! Warum Objekte durch den Nationalsozialismus ins Museum kamen und wie wir damit umgehen macht deutlich, dass Restitution durchaus in einem Museum innerhalb der Ausstellungsräume präsentiert werden kann. Die Sonderausstellung handelt von NS-Raub, Recht sowie Rückgabe und zeigt auf, dass Objekte auf unterschiedlichste Weise in öffentlichen wie auch privaten Sammlungen landen können; auch Objekte, die dort nicht hingehören. Die Ausstellung gibt Hinweise auf die Beschaffung der Kulturgegenstände/Alltagsgegenstände unter dem NS-Regime, über die museale Nutzung sowie die Rückführung von einzelnen Elementen. Diese Restitution wird besonders an der Sammlung Mautner demonstriert, welche an ihre rechtmäßigen Eigentümer*innen zurückgegeben wurde. Die Familie Mautner war seit der Gründung des Volkskundemuseums Wien ein wichtiger Akteur, da sich die Textilindustriellen auf unterschiedlichste Weise – ob finanziell oder mit Objektspenden – einbrachten. Ab 1938 wurden viele Mitglieder der Familie durch die ‚Nürnberger Gesetze‘ als jüdisch verfolgt. Das Volkskundemuseum Wien – unter der Leitung des damaligen Direktors Arthur Haberlandt – beschlagnahmte die in Wien gebliebenen Teile ihrer Privatsammlung und präsentierte deren Bestand oftmals unhinterfragt in Ausstellungen oder Publikationen. Diese rund 500 Objekte wurden nun kultur- und forschungsgeschichtlich eingeordnet und an die Erbin, Anna Mautner, zurückgegeben. Diese wollte jedoch die Sammlung ihrer Familie weiterhin der Öffentlichkeit sowie Wissenschaft zur Verfügung stellen, weswegen der restituierte Bestand – eingebettet in ein umfassendes Vermittlungs- und Begleitprogramm – nun rezipiert werden kann.

Die Räume des Volkskundemuseums Wien sind zwar momentan geschlossen, doch die Ausstellungsvorstellung innerhalb dieses Essays ist bewusst so geschrieben, dass Gesammelt um jeden Preis! weiterhin besucht werden kann, da sie vollends als visuelle Ausstellungserfahrung sowie Rundgang auf der Website des Volkskundemuseums Wien zur Verfügung steht. Somit stellt das Museum die komplexen Abläufe der NS-Provenienzforschung und Restitution in Österreich über ihre Institutionsräume hinaus zur Verfügung und betont, dass Verbleibgeschichten sowie der Erforschung der Herkunft von Gegenständen in Museen noch lange nachgegangen werden müssen.

Film-Tipp: Um sich aktiv einen Rückblick in der Zeit vor Augen führen zu können, empfiehlt sich der Film Monuments Men von George Clooney (2014) – basierend auf dem Buch The Monuments Men: Allied Heroes, Nazi Thieves and the Greatest Treasure Hunt in History von Robert M. Edsel (2009). Eine siebenköpfige Truppe von Kunstschutzsoldaten wird nach Europa geschickt, damit der Verbleib von geraubten Kunstwerken sichergestellt werden kann, um diese zurückzuführen. Der Hollywoodfilm ist nach einer wahren Geschichte produziert worden, weswegen er deutlich zeigt, wie es gewesen sein könnte.
Podcast-Tipp: Der von Deutschlandfunk produzierte Podcast Tatort Kunst behandelt True Crime-Fälle aus der Kunstwelt, ausführlich recherchiert und spannend präsentiert. In Episode 7 "Die Gurlitt-Papers" sowie in der Doppelfolge "Zwei Kisten in Prag" geht es explizit um von im Nationalsozialismus entwendete Kunst und wie das Kunstrückgabegesetz von 1998 sich auf die Handhabung dieser Fälle auswirkt und wie mit solcher Kunst und der Verpflichtung zur Rückgabe umgegangen wird (auch öfters eher schlecht als recht, wie bei den Gurlitt-Papers zu hören sein wird).

Die Abläufe der systematischen Provenienzforschung und der Restitution auf Grundlage des Kunstrückgabegesetzes / Fotografie aus der Ausstellung im © Volkskundemuseum Wien.

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