Kunst zum Stickern

Ein Gespräch mit vier Mitglieder*innen des Künstler*innen-Kollektivs BK FOTO über eine Rekanonisierung der Kunst, das Wechselspiel zwischen Kunst und Markt sowie ihre kollektiven Schaffensprozesse, welche individuelle künstlerische Arbeiten in den Hintergrund stellen und stattdessen auf eine gemeinschaftliche Bildsprache setzen.

Ausstellungsansicht BK FOTO #2 /// © BK FOTO

An einem schwülen und verregneten Junitag treffe ich Sebastian Karim Eder, Adriana Finghis, Isabella Andrea Pacher und Gabriel Rózsa vom Kollektiv BK FOTO inmitten all des FOTO WIEN Trubels und zu Beginn des Angewandte Festivals:

Bohema:  Wer steckt hinter BK FOTO und wie habt ihr euch gefunden?

Gabriel: Ich kann ja mal die BK FOTO Geschichte so weit erzählen, wie ich sie kenne. Vor paar Jahren gab es diesen Kurs, in dem Musik gemacht wurde, und dann haben vier Leute aus der Klasse [Fotografie an der Universität für angewandte Kunst] eine Band gegründet. Dann hat der Lehrende von dem Kurs vorgeschlagen: “Ihr solltet euch BK FOTO nennen.”

Sebastian: Er hat uns immer BK FOTO genannt…

Gabriel: Die Klasse heißt Bildende Kunst Fotografie und dann haben sie sich als BK FOTO eingetragen. Dann ist dieses Bandprojekt entstanden.

Sebastian: Mit Fritz [Lichtenwagner], Valentin [Unger], Ludovico [Scalmani] und mir.

Gabriel: Dann ist ein Jahr später dieses Waldprojekt entstanden, wo mehrere BK FOTO-Mitglieder im Wiener Wald ein Bild gemacht haben. Viele Blitze wurden gleichzeitig ausgelöst und dann ist ein großes Bild entstanden. Dann ist in einer anderen Konstellation nochmal ein Jahr später die PARALLEL BK FOTO #1 Arbeit entstanden. Dann sind manche Leute aus der ersten Konstellation verschwunden und neue waren dabei. Und so ist es auch immer: Es werden weniger, es werden mehr.

Isabella: Es geht auch darum, dass man sich in einer Gruppe in der Klasse zusammenfindet. Man trifft sich und dann bilden sich immer wieder Gruppen an Leuten, die zusammenarbeiten wollen. Damit man nicht nur individuell für sich arbeitet, sondern auch als Kollektiv.

Bohema: Wer ist jetzt aktuell alles dabei?

Isabella: Es sind elf Leute, sollen wir die Namen einfach nennen?

Bohema: Voll gerne. [lachen]

Isabella: Gabriel Rósza, Sebastian Karim Eder, Isabella Andrea Pacher, Adriana Finghis, Julia Reichmayr, Valentin Unger, Ludovico Scalmani, Fritz Lichtenwagner, Noah Kolb, …

Adriana: … Maximiliane Leni Armann, und eine Person fehlt noch… [überlegend]

Isabella: … Matthias!

Alle: Matthias! [lautes Lachen]

Gabriel: Oioioioioi… Matthias Koeck.

Sebastian: Das Bandprojekt entstand im Kurs von Heribert Friedl aus der Ortsbezogenen Kunst. Er hat damals zum ersten Mal einen Kurs gemacht, der hieß Dilettantisch Genial nach den Genialen Dilettanten aus Berlin in den 80ern. Es ging darum, einfach zu kommen und zu sagen, welches Instrument man spielen könnte. Und dann hat man einfach da zusammen geprobt und gejammt. Und daraus ist diese BK FOTO Band entstanden, mit der wir dann damals auch beim Angewandte Festival gespielt haben.

Bohema: Und wie habt ihr euch dann von dieser Band aus weiterentwickelt? Jetzt macht ihr vor allem Installationen.

Isabella: Wir sind einfach immer an der Zusammenarbeit interessiert. Außerhalb der Uni hat sich eine Freundschaft entwickelt zwischen den Leuten und dann gab’s nicht nur die Band, sondern auch dieses Waldprojekt und es sind immer mehr Leute dazugekommen. Dann haben wir überlegt, was es für Möglichkeiten gibt.

Ausstellungsansicht Parallel Vienna 2022, BK FOTO #1 /// © BK FOTO

Sebastian: Das Waldprojekt hat vor allem Matthias [Koeck] initiiert, weil er in der Zeit darauf bedacht war, kollektivere Projekte zu verwirklichen. Das BK FOTO #1 ist besonders durch den Antrieb von Valentin [Unger] entstanden, der Sachen in der Klasse machen wollte, die keine Klassenausstellungen waren … und er hat dann mit der Gabriele [Rothemann, Univ.-Prof.] die Beteiligung an der PARALLEL Vienna ausgemacht. Es gab auch die Idee, eine Publikation zu machen, weil wir damals auch ein Album aufgenommen haben. Das BK FOTOalbum is coming soon! [euphorisch lachend]

Bohema: Also ein Fotoalbum, kein Musikalbum [lachend].

Sebastian: Ein Fotoalbum mit ein bisschen Musik [schmunzelnd].

Bohema: Du hast schon kurz über die PARALLEL geredet. Ihr habt dafür eine Installation à la Bildermeer in der Semmelweißklinik aufgebaut - um was ging’s euch da eigentlich? Ihr habt dafür kanonische Kunstwerke ausgewählt und mit Thermodruckern von der Decke gedruckt, oder?

Sebastian: Genau, BK FOTO #1 sowie BK FOTO #2 haben als Grundlage die Datenbank der Angewandten, für die sie die Bildrechte kaufen, um sie in Vorlesungen zu nutzen. Wir haben diese Bilddatenbank dann genutzt. In BK FOTO #1 war die Überlegung: Ok, wir treten jetzt auf dieser Messe auf. Wie wollen wir uns positionieren? Da gab’s dann lange, monatelange Diskussionen bis zur Idee mit dem Rechnungspapier. Das erschien uns dann sehr passend für eine Messe, wo es eben um Verkauf geht.

Gabriel: Das waren lange Gespräche, wo die Grundidee war, dass wir als Gruppe keine eigenen Arbeiten zeigen wollen…

Isabella: …und auch keine Namen. Wir wollten eben als BK FOTO auftreten, sodass es nicht um den Einzelnen oder die Einzelne geht.

Gabriel: Dann kam deine Idee mit dem Drucker. In einer Gruppe muss man oft Kompromisse schließen, was ja voll gut ist, weil elf Egos aufeinander einarbeiten. Dann kommt man drauf: Ok, es gibt ja noch zehn andere Leute, das muss sich irgendwie alles miteinander ausgehen!

Isabella: Wir haben damals bei der PARALLEL nicht das ganze Archiv gedruckt, sondern eine Auswahl getroffen. Es gab diese verschiedenen Drucker, die gleichzeitig gedruckt haben, und für mich war es lustig und auch voll schön, dass der Sound, den diese Drucker machen, wie eine Komposition an Druckern war, die in verschiedenen Rhythmen drucken. Jede Person hat einzeln für sich eine Auswahl an 100 Bildern getroffen, gemeinsam haben wir somit ungefähr 1000 Bilder für das Bildermeer gehabt. Das Meer ist jetzt irgendwie in die neue Ausstellung über…

Gabriel: …geschwappt,…

Isabella: … also vom Bildermeer zum Pool. Der Pool als kleineres Objekt im Vergleich zum Meer, das auch eine viel kleinere Auswahl hat.

Ausstellungsansicht BK FOTO #2 /// © BK FOTO

Sebastian: Der Pool als das privatisierte Meer.

Bohema: Und warum in schwarz-weiß? Im Archiv sind die Bilder wahrscheinlich in Farbe erhältlich?

Isabella: Als fotografische Referenz zu den Reproduktionen.

Bohema: Die Verbindung zwischen den zwei Ausstellungen habt ihr jetzt eh schon angesprochen, aber bei BK FOTO #2 gab’s ja einmal dieses Poolprojekt in der Seidlgasse 14 im 3. Bezirk und dann gab’s noch diese Produktionsstätte in der Hermanngasse 18 im 7. Bezirk. Wie ist da die Verbindung?

Adriana: In unserer Produktionsstätte haben wir die Sticker produziert und es gab auch eine Performance. Das war das Backoffice. Dort konnte man auch die Stickeralben erwerben sowie die Sticker dazu.

Bohema: Ihr spielt voll viel mit diesem Marktgedanken. [alle schmunzeln]

Gabriel: Das kam eigentlich zufällig aus BK FOTO #1. Wir sind damals hingefahren und wollten den Raum aufbauen und dann haben wir erfahren, dass wir noch einen zweiten Raum haben. Das wussten wir schon, aber wir haben’s vergessen. [lachen]
Das war nämlich zuerst nicht so richtig fix. Und dann steht plötzlich bei dem zweiten kleinen Raum auch noch BK FOTO dabei und wir waren so: Ja cool, wir haben aber nur einen Raum geplant. Wir haben gesagt: Ja egal, dann machen wir ein Sales Office …

Isabella: …und performen das dann auch…

BK FOTO #2, Sticker /// © BK FOTO

Gabriel: Genau, das war dann eine wochenlange Performance, wo der Kunstmarkt sehr wenig ernst genommen wurde…Backoffice, im Versteckten Handeln, shady Geschäfte machen… das haben wir sehr offensichtlich auf die Schippe genommen, aber es ist dann extrem gut angekommen, weil es erfrischend war.

Isabella: Wir schauen bei den Preisen, dass wir sie so gering wie möglich halten, damit Kunst auch für so viele Leute wie möglich zugänglich ist.

Sebastian: Da war der Gedanke, die Arbeitsprozesse sichtbar zu machen und zu zeigen, wie die Produktion funktioniert, wie der Verkauf funktioniert - und das eben in so einem performativen Situationsakt.

Bohema: Was steckt hinter BK FOTO und BK FETT? Auf Instagram heißt ihr ja zum Beispiel @bkfett. [die Runde lacht]

Sebastian: Der Instagram Account kommt auch noch aus dieser Bandgeschichte und BK FETT kommt eigentlich daher, weil der Ludovico immer gesagt hat: „BK Fett, BK Fett in dein Ohr!“ [Gruppe schmunzelt] Der Instagram Account heißt BK FETT, weil wir das lustig fanden und weil BK FOTO schon benutzt wird.

Gabriel: Und ich glaube das ist wahrscheinlich auch diese, ich sage mal, aushängigere Seite von BK FOTO, sich auf Instagram BK FETT zu nennen, weil’s halt Wurst ist …

Sebastian: Es gab auch eine längere interne Diskussion wie man jetzt mit Instagram umgeht.

Gabriel: Ich glaube es ist dabei geblieben, dass wir Instagram nicht so ernst nehmen, [zustimmendes Nicken] weil die Arbeiten, die dann entstehen, also BK FOTO #1 und BK FOTO #2 so extrem für sich stehen. Dann ist es irgendwie schon witzig, Instagram als Plattform nicht unbedingt so ernst zu nehmen.

Sebastian: Ausgereifte Arbeiten, trashiges Instagram. [schmunzeln]

Kunst im öffentlichen Raum, zwischen Vandalismus und Mitgestaltung

Bohema: Auf der Website von FOTO WIEN habe ich gelesen, dass euer Ausstellungskonzept BK FOTO #2 dreiteilig ist.

BK FOTO #2, Litfaßsäule /// © Viktoria Weber

Gabriel: Während der FOTO WIEN gab es drei Teile: Poolraum in der Seidlgasse, das Backoffice und die Litfaßsäule.

Isabella: Ja fix, stimmt.

Gabriel: Der dritte Teil war eben eine Litfaßsäule, wo wir ein Poster über eine halbe Litfaßsäule kleben haben lassen, wo man stickern konnte. Also wo man im öffentlichen Raum…

Isabella: …was Verbotenes tun durfte. [verschmitztes Lachen]

Gabriel: Ja, wo man irgendwie zu was Verbotenem anstiftet.

Sebastian: Und auch zur Mitgestaltung des öffentlichen Raums.

Adriana: Als ich das letzte Mal dort gestickert habe, ist auch jemand vorbeigegangen und hat es von der PARALLEL wiedererkannt. Das war echt lustig.

Isabella: Wir haben auch bei der jetzigen Ausstellung BK FOTO #2 ein extrem spannendes Thema, mit Archiven und Urheberrechten von Bilddaten und wie das eigentlich in Zukunft weitergehen wird. Da wird uns auf jeden Fall noch eine Fortsetzung einfallen.

Bohema: Ich finde auch spannend, wie ihr in gewissem Maße in euren Arbeiten auch einen Kunstkanon reproduziert.

Ausstellungsansicht BK FOTO #1, die von der Decke hängenden Drucker drucken die ausgewählten Bilder aus dem Bildarchiv und füllen den Raum. /// © BK FOTO

Isabella: Ja, jede Person hat für sich einen Kunstkanon ausgewählt. Ich habe mich zum Beispiel auf Kunst von Frauen fokussiert. Das hat jeder und jede für sich entschieden. Aber es wurden auch ganz bekannte Kunstwerke aus einem gewissen Kanon ausgelassen.

Gabriel: Ja, es war auch das Hauptanliegen von BK FOTO #1, dass wir unseren eigenen Kanon hinterfragen, im Sinne von: Wie nutzen wir das Archiv, dass auf unserer Uni als geltende Kunst gezeigt und gelehrt wird, aber nur ein sehr enger Kanon ist?

Isabella: Und jetzt ist er immer enger geworden.

Gabriel: Ja, man muss sich für einen entscheiden. Man kann nicht den komplett weltweiten Kunstkanon lehren, aufnehmen oder zeigen. Und darüber haben wir sehr viel geredet. Was ist eigentlich die Kunst, die uns gezeigt wird?

Isabella: Woraus schöpfen wir? Oder woraus sollen wir schöpfen?

Gabriel: Wenn wir uns selbst nicht noch weiter mit Kunst auseinandersetzen würden, dann wüssten wir nur das.

Isabella: Uns wird das ja von einer Institution präsentiert…

Bohema: Á la: Hier, das ist Kunst! [alle schmunzeln]

Kollektives Arbeiten

Bohema: Wie gestaltet sich denn eure Zusammenarbeit als Kollektiv - das hat natürlich viele Vorteile, aber auch Herausforderungen? [alle lachen] Kriegt ihr euch oft in die Haare, oder funktioniert es gut?

Sebastian: Jetzt, würde ich sagen, eigentlich wirklich gut. Weil’s immer ein Vorteil ist, so viele Leute zu sein [zustimmendes Nicken]. Manchmal hat der eine keinen Bock, dann hat der andere keine Zeit oder ist krank, es geht aber trotzdem. Man kann halt wirklich große Projekte umsetzen, weil immer irgendwer etwas machen kann.

Isabella: Das ist wie so eine Maschine, die immer rennt, wo jedes Zahnrad ineinandergreift und trotzdem nicht jede*r immer dabei sein muss, aber seinen Teil beitragen kann, so dass es sich zusammenfügt.

Sebastian: Aber es ist natürlich schon kompliziert, vor allem in der Koordination. Bis jetzt hat’s immer funktioniert. Wie bei Instagram gab’s viele verschiedene Vorstellungen, wie man das macht, aber eigentlich haben wir immer eine Lösung gefunden, mit der dann alle zufrieden waren.

Bohema: Habt ihr Tipps für andere Künstler*innenkollektive?

Sebastian: Ja, man muss sich selbst zurücknehmen, das ist das Wichtigste.

Isabella: Aber ich finde, das ist ja auch irgendwie das Schöne daran, weil man sowieso auch noch seine individuelle Praxis hat, aber immer wieder in Gruppenarbeiten seinen Horizont erweitern kann. Da muss man auch über sich selbst viel lernen, wie man in einer Gruppe agieren kann. Auch ich habe viel gelernt, was mich zum Beispiel in der Gruppe an mir gestört hat, was ich gerne anders machen wolle… dann habe ich beispielsweise versucht mehr mitzureden oder lauter mitzureden, damit man mich auch hört. Man lernt dann ganz gut, sich selbst zu positionieren.

Gabriel: [grüblerisch] Hmmm, Tipps..

Isabella: Do it! [lachen]

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