Des Teufels Bad - der Horror der Lethargie

Der Begriff des psychologischen Horrors ist in den letzten Jahren zu einem Deckmantel für Filme geworden, die Drama und Horror vereinen. Eine Kritik über einen Film, der diese Genrebeschreibungen obsolet macht.

(c) Filmladen

Mit ihrem Familienhorror Ich seh, Ich seh verschaffte sich das Österreicher Regieduo Severin Fiala und Veronika Franz Aufmerksamkeit aus dem Ausland. Nach mehreren Internationalen Projekten kehrt ihr neuer Film Des Teufels Bad nach Österreich zurück - und widmet sich der religiösen Vergangenheit ihres Heimatlandes.

In der Pre-Industralisierung des späten 18ten Jahrhunderts heiratet Agnes den Bauern Wolf. Eine Entscheidung, die nicht nur von persönlicher Zuneigung und wirtschaftlichen Vorteilen geprägt ist, sondern vor allem von den katholischen Idealen, die Agnes durch die Ehe zu pflegen sucht. Doch schnell werden diese Ideale zerrüttet, denn ihre neue Familie lässt Agnes keinen Platz, ihre Vorstellungen der christlichen Partnerschaft zu erfüllen. Wolf scheint kein Kind zu wollen und Agnes wird den Maßstäben ihrer Schwiegermutter nicht gerecht, sei es auf dem Feld, beim Angeln oder in der Küche. Des Teufels Bad ist ein Film darüber, wie Ansprüche lähmen können. Ansprüche der Familie, das Ideal der Bäuerin, die christlichen Vorstellungen, was sich eine Frau zu wünschen hat und was nicht, sowie der Anspruch der nicht erreichbaren Mutterschaft bilden ein Netz von Erwartungen, in dem die Protagonistin immer weiter paralysiert wird. Und aus dem Stillstand wird schnell Verzweiflung.

Leider zeigt sich im Verlauf von Agnes‘ Abdriften eine Schwäche des Regieduos, die bereits bei Ich seh, Ich seh störend auffiel: die organische Eskalation der Geschichte bleibt aus. Viel Zeit vergeht, in der man die Protagonistin langsam beim zermürbt Werden begleitet, der Übergang vom unterschwelligen Leiden hin zum kompletten Selbstverlust geschieht jedoch zu plötzlich, sodass die ersten zwei Akte ein wenig lang und der dritte Akt sehr abrupt scheinen.

Dennoch, und das lässt leicht über diese Probleme hinwegsehen, sorgt der Film für ständige Empathie mit der Protagonistin. Zum einen ist dies dem Schauspiel zu verdanken, der gesamte Cast versetzt uns glaubwürdig in die Vergangenheit und lässt uns die Probleme dieser miterleben. Auch die Kamera, die dieses Jahr bei der Berlinale prämiert wurde, und der Sound sorgen für Mitgefühl. Vor allem dadurch, wie stark mit Kontrasten gearbeitet wird. Der Wechsel zwischen Nah- und Landschaftsaufnahmen, zwischen naturalistischen Waldgeräuschen, lauten Dorffeiern und bedrohlicher Musik sorgt für eine Atmosphäre, die zwischen Klaustrophobie und Agoraphobie fluktuiert. Widersprüche, die dem Publikum Konstanten nehmen, parallel zu Agnes vergeblicher Suche nach der Stabilität.

Doch trotz, oder eben aufgrund dieser Kontraste bleibt ein Bindeelement konstant: die Einsamkeit. Agnes wird durch sämtliche Stilmittel, die es filmisch einzusetzen gibt, isoliert, egal ob sie allein im Wald, mit ihrem Mann im gemeinsamen Haus oder in der Gruppe bei der Arbeit ist. Auch wenn sich ihre Entscheidungen durch die genannten Pacingprobleme vielleicht nicht ganz nachvollziehbar anfühlen, ist das Gefühl von Isolation und Depression, das vom Film kommuniziert wird zu stark, um nicht von Unbehagen mitgerissen zu werden.

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Dabei wird ebenfalls offensichtlich, dass es unsinnig ist, den Film wirklich genretechnisch einzuordnen. Denn Des Teufels Bad ist vom reinen Geschehen her ein Drama. Eine Charakterstudie welches auch ohne übernatürliche Vorkommnisse prima auskommt, durch die Unerträglichkeit der dargestellten Umstände jedoch ähnliche Gefühle erzeugt, wie der klassische Horrorfilm. Ekel, Grusel und Beklemmung darüber, was die nächste Ungerechtigkeit sein mag, die Agnes weiter verzweifeln lässt.

Vielleicht ist es dementsprechend auch etwas ungerecht, den fehlenden Übergang von stillen hin zu offenen Leiden zu bemängeln. Denn auf Charakterebene ist es ziemlich nachvollziehbar, dass nach konstanten Widerständen die kleinste Provokation reicht, um Agnes komplett brechen zu lassen. Jedoch gibt sich der Film nicht damit zufrieden, die Eskalation nur durch die Gefühlswelt der Figur stattfinden zu lassen und bedient sich vor allem in seiner zweiten Hälfte diversen Horror-Ästhetiken. Zum kompletten Nervenzusammenbruch und den damit verbundenen Körperzuständen des Verfalls gesellen sich Bilder von blutiger Erde, halluzinierten Höhlen und ekeligen Würmern. Und diese scheinen etwas unprovoziert und erwecken vor allem den Anschein, dass sich nicht ganz getraut wurde, Horror nur durch überspitztes Drama darzustellen.

Dabei ist die Eskalation, die allein durch die Handlungen der Charaktere geschieht, doch gruselig und herzzerreißend genug, sodass die Referenzen zum klassischen Folk Horror fast überflüssig wirken und in ihrer übernatürlichen Ästhetik vom Terror des Alltags ablenken, der den Film besonders stark macht. Denn wie Agnes sich vor christlichen Gesellschaftsidealen immer weiter selbst verliert, ist gruseliger, als jeder Spuk es sein könnte.

„Female Rage“ ist ein Begriff, der in den letzten Jahren den online-Filmdiskurs stark geprägt hat. Geschichten von Frauen, die durch ihr misogynes Umfeld so stark unterdrückt werden, dass sie in Gewaltexzessen Katharsis finden. Des Teufels Bad präsentiert uns die andere Seite dieser Medaille: Gewalt nach außen als masochistischer Verzweiflungsakt, motiviert von kompletter Entmündigung und christlich-suppressiven Idealen der Reue. Agnes wird nicht nur die Mutterschaft und die eigenen Interessen abgesprochen, sondern vor allem das Recht dazu, das eigene Leben und den eigenen Körper abzulehnen.

Dem Publikum wird eine Gesellschaft präsentiert, die verzweifelten Menschen und vor allem verzweifelten Frauen Katharsis verweigert. Eine Gesellschaft der Vergangenheit zwar, deren Grundsätze und Vorurteile jedoch heute noch spürbar sind. In Hyperindividualistischen „Grindset“-Anleitungen, Anti-Aging-„Self Care“ oder Debatten um Arbeitslosengeld sieht man auch aktuell Ideologien, die Faulheit, Selbstaufgabe und körperlichen Verfall als größtes aller Übel zeichnen, aber dabei ignorieren, welche grundliegenden Probleme, Ungerechtigkeiten oder Schicksalsschläge erst zu Lethargie führen können.

Des Teufels Bad ist ein Drama, welches durch seine plötzlichen Horrorelemente und sein seltsames Pacing manchmal tonal unbalanciert und stümperhaft wirkt - aber es durch einen Fokus auf affekthaftes Mitfühlen und einer Daueratmosphäre des Unbehagens schafft, den betäubenden Horror von Gesellschaftssystemen aufzuzeigen, die den Wert von Menschen rein an Produktivität und Konformität messen.

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