Bitte anfassen! - Kunst ab Hinterhof

Zwischen Online-Shopping und Revolution der Kunstvermittlung - die Plattform Kunst ab Hinterhof (KAH) bietet sowohl vor Ort im 16. Bezirk als auch online einen Zugang zu zeitgenössischer Kunst, sowohl zum Anfassen als auch zum Kaufen.

Kunst ab Hinterhof ©

Kunst darf man nicht anfassen; man darf sie nur mit einem Meter Entfernung betrachten; sie muss an einer schön gestrichenen Wand hängen; sie muss teuer sein; nur elitäre Sammelnde sollen sie sich leisten können.

Soweit die Vorstellung vieler über Kunst. Dabei könnte unsere Annäherung an (zeitgenössische) Kunst ganz anders sein. KAH – Kunst ab Hinterhof ist eine Plattform, die Kunst in einem ganz anderen Raum präsentiert und zur Lust am Anfassen, Mitnehmen und Sammeln anregen will. Dabei geht sie ganz neue Wege, abseits von White Cube Galerien* und elitären Herangehensweisen.

Please DO touch!

Versteckt im 16. Bezirk, hinter der Ottakringer Brauerei, in einem Hinterhof, befindet sich „Die Schöne“, eine alte Fabrik, in der heute Kunst entsteht und verkauft wird: hier ist KAH – Kunst ab Hinterhof zu Hause. Im großen Schauraum, den man fast sofort nach der Eingangstür betritt, ist man umgeben von Kunstwerken verschiedenster Kunstschaffenden. Zur Linken schmelzende Diskokugeln von Simon Reitmann, in der Mitte ein halbes Auto, das auch als Ausstellungsfläche dient und für eine PARALLEL VIENNA zersägt wurde. An den Wänden sind Drucke und Gemälde zu einem Collage-artigen Gebilde zusammengefügt, hier werden Kunstschaffende aus Mexiko bis Tschechien nebeneinander gehängt.

Zoe Opratko ©

An der hinteren Wand und in den anliegenden Räumen dann noch mehr Werke: die Gemälde stehen über ihre Keilrahmen gespannt aufgereiht und aneinander gelehnt, bereit, wie eine Kiste Schallplatten durchgeschaut zu werden. Wenn etwas interessant erscheint, darf man es sich vorsichtig rausnehmen und von ganz nah betrachten. Hier finden sich Werke von Özlem Oktan, Rudolf Fitz, Markus Tozzer oder auch SKIRL; Kunstschaffende aus Österreich oder international. Wer es nicht bis nach Ottakring schafft, kann die Werke ebenso gut auf der Website anschauen, dort sind auch schon verkaufte Werke zu finden, damit man einen guten Überblick über das Werk der Kunstschaffenden bekommt.

Dieser Archivgedanke ist besonders wichtig für KAH, Analog und Digital ergänzen sich in ihren unterschiedlichen Möglichkeiten. Eine derart ausgebaute Online-Präsenz, die den Schauraum vor Ort digital darstellt, findet man selten. Eine Online-Galerie, die dazu aber noch einen Ort hat, an dem man die Kunst von nah anschauen und auch anfassen kann, so etwas findet sich kein zweites Mal.

Kunst von vielen, für alle

Die Idee, Grenzen zu verschieben, findet sich aber nicht nur am kaufenden Ende. Die Palette der ausgestellten und zu kaufenden Werke ist so vielfältig wie die Schaffenden selbst: einige haben ein abgeschlossenes Kunststudium, andere sind noch dabei, und andere haben gar nicht studiert. Der Künstler Manuel SKIRL beispielsweise, der im Wiener Raum für seine abstrakte Street Art bekannt ist, hat kein Kunststudium absolviert. In der Straße, die zu KAH führt, befindet sich auch ein Werk von ihm an der Wand.

Kunst ab Hinterhof ©

So sollen auch die eine Plattform für die Verbreitung ihrer Kunst bekommen, die noch keine haben. Gerade jenen, die gerade aus der Kunstakademie kommen, möchte KAH helfen, ein Netzwerk aus potenziellen Kaufenden und einen bestimmten Grad an Bekanntheit zu erlangen. Das Team von KAH macht deswegen auch Besuche bei den Kunstschaffenden, die sie vertreten, in ihren Ateliers.

Das Repertoire der Werke und Stilen hat sich über die Jahre organisch erweitert. Dass Malerei und Druck am häufigsten vertreten sind, liegt daran, dass zu KAH auch eine eigene Druckwerkstatt gehört, die sich im oberen Stockwerk befindet und bei der man auch Workshops zum Thema Siebdruck besuchen kann. Ein weiterer Punkt ist, dass Malerei einfach auch mehr gekauft wird: gerne hängt man sich ein Gemälde über das Sofa. Und auch hier setzt KAH auf Niedrigschwelligkeit: die unterschiedlichen Preiskategorien helfen, dass viele ein erschwingliches Kunstwerk mit nach Hause nehmen können.

Das Publikum erweitern

Außerhalb der „Schönen“ ist KAH auch noch in anderen Räumen Wiens zu finden. In regelmäßigen Abständen finden sich Ausstellungen auf dem Badeschiff Wien oder in der Hausbar des Künstlerhaus neben der Albertina Modern. Hier sollen die Werke nicht wie im White Cube hängen, sondern sich in den normalen Betrieb der Besuchenden einfügen. So finden sich auch Interessierte außerhalb der kunstaffinen Bubble. Es gab schon ein Pop-Up am Naschmarkt und in Zukunft soll es weitere geben. Im September wird KAH auch wieder auf der PARALLEL VIENNA zu finden sein.

Eine neue Art der Kunstvermittlung

Kunst ab Hinterhof ©

Kunst ab Hinterhof versteht sich nicht als Galerie, sondern eher als Plattform. Sie wurde 2019 gegründet, um Kunst zugänglicher und leistbar zu machen. Gerade Corona hat ihr dann in die Karten gespielt, denn das Konzept der Symbiose von digitaler Präsenz und analogem Schauraum hat es erlaubt, dass die Kunst auch bloß über die Website verkauft und verschickt werden kann. (Man kann übrigens auch einen eigenen Rahmen für sein Werk anfertigen lassen.) So konnte KAH wachsen und vertritt nun mehr als 100 Kunstschaffende und etwa 1.500 Werke.

*White Cube: Ausstellungskonzept, bei welchem Kunst auf weißen Wänden präsentiert wird, um Kontext zwischen Werk und Architektur zu vermeiden.

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