Tage.Buch.Wien

Das Tagebuch zur Buch Wien, der Österreichischen Messe rund ums Buch. Täglich aktualisiert von Lara Schneeweiss, Anna Repke und Malina Cupran

Tage.Buch.Wien /// Stephanie Madeleine Grechenig (c)

Eröffnung der Buch Wien 23. Festrede: In the Beginning – Eine Reflexion.

08.11.23 17:00 Uhr: Unter dem Buch Wien Dach versammeln wir uns alle als Teil einer Büchernation, die alle Nationen umfasst, wie A.L. Kennedy in ihrer Eröffnungsrede sagte. Es ist, als ob wir hin und wieder eine Stimme benötigen, die uns daran erinnert, welche Macht und Bedeutung in den Worten liegt, die uns sanft zuflüstert, dass Geld Zeit kauft, nicht Freiheit der Schriftsteller, dass wir immer jemand anderer sein können, dass Großbritannien ein warnendes Beispiel dafür darstellt, was passiert, wenn wir die Kunst aus den Augen verlieren. Auf den ersten Blick mag dies trivial erscheinen, doch wir vergessen, wie schnell wir vergessen können und wenn die Stimme verstummt ist, finden wir uns wieder in Platons Höhlengleichnis, gefangen im Schatten einer verzerrten Realität. In diesem Licht betrachtet war A.L. Kennedys Rede eine notwendige Erinnerung an das Offensichtliche, das sich hinter allzu vielen politischen und überdachten Gedankengängen verbergen könnte: die schlichte Existenz einer vereinten Büchernation. (Malina)

Die Anstands freie Republik - Wohin geht die österreichische Demokratie?

08.11.23 19:00 Uhr: Aufstrebende autoritäre Bewegungen in Österreich, sowie in Europa und auch Amerika sind als Symptome anzusehen, nicht als Ursachen, der sich in politischen Ansichten stark spaltenden Gesellschaft, meint Natascha Strobl als Expertin für Rechtsextremismus. Woraufhin Robert Misik, marxistisch geprägter politischer Schriftsteller, die Frage nach dem Anstand einwirft. Anstand vor allem in der Sprache, mit der politische Debatten gehalten werden. Die drei Vortragenden, dabei noch Doris Helmberger-Fleckl, Journalistin mit Fokus auf Wissenschaft und Bildung, zeigen ihren Anspruch auf solidarisches Miteinander zwar mustergültig vor, dennoch ertönt der Applaus von der Nebenbühne, auf welcher ein Poetry-Slam abgehalten wird, um einiges lauter und engagierter. Während die historische Entwicklung und Abwicklung des Neoliberalismus dargelegt wird, rauschen stets jubelnde Unterbrechungen von den Seiten her. Dennoch führt Natascha Strobl weiter aus, die politische Spaltung der Gesellschaft, sieht sie als eine asymmetrische Polarisierung von rechten Sphären, unter anderem konservativen. Um diese Ausbreitung aufzuhalten, wird das Prinzip der Solidarität genannt. Damit ist eine Form von Augenhöhe und kein Altruismus gemeint. Vor allem im Zuge der Klimakrise reichen die Ressourcen nicht für alle, daher gilt es Beziehungen zu knüpfen, und nicht bloß Hilfe zu bieten, sondern in knappen Zeiten auch Hilfe zu holen. Erneut erklingt Applaus, jedoch erneut von nebenan. Ein solidarisches Miteinander umfasst sicherlich auch, nicht bloß Individuen, sondern ebenso gesamte Szenen zu verbinden. Um autoritären Strömungen also entgegenzuwirken, braucht es, wie es scheint, nicht bloß trockene Politik, sondern auch lebendige Kunst. (Lara)

Robert Seethaler: Das Café ohne Namen

08.11.23 20:00 Uhr: „Das Café ohne Namen“ oder, vielleicht passender, „Das Beisl ohne Namen“? Robert Seethaler, selbst in Wien aufgewachsen, erzählt von seinem neuen Roman. Die Geschichte begleitet einen Mann, der den Aufschwung nach dem zweiten Weltkrieg erlebt und in Zeiten der Hoffnung selbst ein Café eröffnet. Der Name des Protagonisten und der Schauplatz der Geschichte, das Wiener Karmelieterviertel, legen die Vermutung nahe, dass in das neue Werk Robert Seethalers persönliche Erfahrungen eingeflossen sind. Der Autor zieht hier eine klare Grenze zwischen seinem privaten Leben und seinen fiktionalen Werken- obwohl das Geschriebene nie unabhängig von den eigenen Erfahrungen und Sinneseindrücken gesehen werden kann, ist sein neuer Roman reine Fiktion. Er distanziert sich ebenso von der Annahme, dass sein schriftstellerisches Schaffen mit einem gottgegebenen Talent zu erklären sei, noch gebe es ihm gottgleiche Macht. Das Schreiben ist harte Arbeit und er ist ein realer Mensch, so wie auch die Charaktere in seinen Romanen. (Anna)

Tara C. Meister: Geschafft, Sonne

09.11.23 10:00 Uhr: Wenn die Welt nicht mehr rosa ist, sind wir nicht im Dunkel gelassen, wir bewegen uns hin und her, von links nach rechts auf der Bühne der Poetik, so wie in Tara C. Meisters Sprachbilder. Was bleibt von uns? Übrig. Rational entschieden Medizin zu studieren, aber uns mit intimen poetischen Rahmen, mit einer geschafften Sonne verbrennen: ihre Impulse, literarische und medizinische Figur, bewegen uns mit power feministischen Themen, denn wie könnte es anders sein? Wir sind die Hexen von damals. Meister schreibt in Bilder und wir tanzen.(Malina)

Peter Michael Lingens: Zeitzeuge eines Jahrhunderts

09.11.23 10:30 Uhr: Was für Peter Michael Lingens eine kurzfristig luxuriöse Kindheit war, ist für uns ein Film aus der Welt der Fantasie: ein top Drama Pelicula, das sich hinter verschlossenen Türen abspielte, eine Geschichte, die als Schlagzeile in einer Boulevardzeitung erscheinen könnte. Dennoch hat er ruhig seinen eigenen Skandal durchlebt, in einer fast irrealen Realität, in der seine Familie während einer absurden Epoche Juden half, während seine Mutter verhaftet wurde und Auschwitz erlebte und überlebte. Und all das war ein (un)angenehmes Geheimnis eines Oscars würdig. Vor uns stand ein Mann, in dem Politik und persönliche Geschichte in beeindruckender Weise miteinander verschmolzen. Wir sahen, wie man ein Produkt seiner selbst ist, ein selbstgemachter Mensch.(Malina)

Bianca Wege - Today I’ll Talk To Him 

09.11.23 11:00 Uhr: Die New Adult Romance ‘Today I’ll Talk To Him’ von Newcomer Autorin Bianca Wege erinnert an Geschichten, die man gerne vor dem Einschlafen auf Wattpad oder AO3 liest, und das im positivsten Sinne. Neben den politisch aufgeladenen Diskussionen und Vorstellungen auf den restlichen Bühnen bietet dieses Werk eine erholsame Abwechslung. Eine zeitgemäße Liebesgeschichte zum Abschalten, zwischen Streams und dem echten Leben. (Lara)


Hannes Vyoral: EUROPA. eine reise. aufzeichnungen & gedichte

09.11.23 12:00 Uhr: “Das Reisen ist Glück der Liebenden.”

Hannes Vyoral nimmt uns mit auf eine 318 Gedichte lange Reise durch Europa. Die Hälfte der Poesie spielt dabei auf Inseln, weil der Autor sein angenehmes Leben in der Peripherie des Waldviertels nur schweren Herzens zurückließ. Aber die eiskalten Nächte und wärmende Sonnenaufgänge, von den Gipfeln des höchsten Berges in Spaniens und kleinen Hütten in Norwegen, vermitteln ebenso ein Gefühl von Heimat. Gelegentlich wagt Vyoral sich auch in Städte vor, darunter Neapel und Marseille. Beide Orte sind zwar keine Metropolen, aber auch ihre Menschenmengen strahlen lebendig. Und sollte man etwas Ruhe benötigen, dann treibt einen das Meer, das in den Häfen erklingt, nicht in die Enge, sondern ermöglicht weites Denken, aus dem etwa Gedichte entstehen können. (Lara)

Anna Baar: He, holde Kunst!

09.11.23 12:00 Uhr: Anna Baar hat ein Survival Kit für diejenigen geschaffen, die sich literarisch verloren fühlen: ein panoptisches System, in dem wir Kunst überwachen können. Sie schreibt literarische Begleittexte, die mit biografischen Tendenzen verwurzelt sind und Randnotizen, die einen reinen Überblick über unmodifizierte Gedanken ermöglichen - Wörter, die vom Fließtext gerettet wurden. Ihr Schreibprozess besteht darin, die künstlerische Welt zu destillieren, zu komprimieren und deduktiv näherzubringen. Sie bietet uns eine Eintrittskarte für die Camera Obscura der Kunst und spielt mit den kaleidoskopischen Gegenständen der Welt. (Malina)

Tatjana Tibuleac: European Union Prize for Literature: Der Garten aus Glas

09.11.23 13:30 Uhr: Im Fokus und am Anfang dieses preisgekrönten Werks steht, wie häufig beim Kunstschaffen, der Zwiespalt von Liebe und Hass. Liebende Aufnahme und auf Hass basierende Ausbeute oszillieren miteinander und voneinander. Es ist die Geschichte eines jungen Mädchens, Lastotschka (Schwalbe), welches im von der Sowjetunion geprägten Moldawien der 80er und 90er Jahre aufwächst. Zunächst im Waisenhaus, gelangt Lastotschka letztlich zu ihrer Adoptivmutter, eine Glasflaschensammlerin, die liebevoll und gewalttätig zugleich ist. Als Ausweg aus ihrer Misshandlung verbringt Lastotschka Zeit in ihren Vorstellungen und baut sich darin einen persönlichen Garten aus Glas. 

Ausbeuterische und gewalttätige Phänomene sind auch heute noch in Moldawien präsent. Die Autorin hat diesen Raum, diese Zeit und diese Figuren gewählt, um die derzeit politischen Aufruhren und Unruhen in individuellen Schicksalen, wo sich Politik und Privatsphäre begegnen, aufzuzeigen. Dennoch, meint sie, wurde und wird gelebt und geliebt, wobei die Perspektive einer Heranwachsenden einen unvoreingenommenen Blick gewährt.  (Lara)


Birgit Birnbacher: Wovon wir leben

09.11.23 14:00 Uhr: Die Protagonistin dieses Buches ist keine Unbekannte, sondern wird womöglich vielen bereits untergekommen sein, nämlich eine Frau im 21. Jahrhundert, der die Luft ausgegangen ist. Atemnot ist Alltag dieser Figur, von Corona bis zu Atelektase, der Verschluss einer Bronchie. Das Motiv hierbei ist die unvollständige Ausdehnung bei nicht ganz unausschöpfbaren Möglichkeiten, welche im Sinne einer strukturellen Unterdrückung vor allem Frauen betreffen können. Der Bogen wird zur unbezahlten Hausarbeit gespannt, diese ist, wovon wir leben. Sie ist Vorzeigeobjekt des Gefangenseins innerhalb des kapitalistischen Systems, welches jedem Geschlecht, jeder Sexualität, jeder Nation, jeder Ethnie, jeder Person einen festen, kaum zu entkommenden, Platz zuteilt. 

Die Autorin bietet außerdem eine soziologische Perspektive und nimmt ihre Inspiration von der wissenschaftlichen Arbeit der Marienthal-Studie der Sozialpsychologin Marie Jahoda. Das Credo hierbei lautet, um etwas über Menschen zu erfahren, muss man mit ihnen in Kontakt treten. (Lara)

Heinz Bachmann: Ingeborg Bachmann, meine Schwester

09.11.23 16:00 Uhr: Die Darlegung, die Heinz Bachmann von seiner Schwester Ingeborg Bachmann bietet, ist ein persönliches Dokument, das von privaten Fotos bis hin zu familiären Eindrücken und Unterstützungen Ingeborgs literarischen Bestrebungen, der „brotlosen Kunst“, reicht. Ihr Erfolg wird aus der Sicht eines jungen Buben beschrieben, der toxische Beziehungen, etwa zu Max Frisch, oder ein paar zu häufige Medikamentengriffe, zwar mitbekam, deren Tragweite jedoch noch nicht deuten konnte. Die fröhlichen Seiten Ingeborgs werden hingegen auch hervorgehoben und mit Zitaten und Werkverweisen unterstrichen. 

Heinz Bachmann beschreibt seine Schwester vor allem als „Wirbel, der nie aufhörte und körperlich wie seelisch sehr anstrengend war.“ Der Kern dieses Wirbels ist Ingeborgs Drang zu schreiben. (Lara) 

Antje Bones: Nebenan ist doch weit weg

10.11.23 11:00 Uhr: Was Antje Bones näherbringt, ähnelt dem Schälen einer Zwiebel: Du willst das nicht, Tränen folgen und dann entsteht eine irritierende Dualität zwischen dem, was du machst, und dem, was du dir vorgestellt hast. Von Berlin nach Krakau als Kind umzuziehen bedeutet Entwurzeln, tausendmal "Ich werde dich besuchen" hören, rennende Zeit, historischer Hass und etwas Irreales, das als zu gegenwärtig gespürt wird. Denn "Nebenan ist doch weit weg". (Malina)

Nada Chekh: Eine Blume ohne Wurzeln

10.11.23 12:00 Uhr: Das Herz zittert und schweigt nicht mehr: Infamie? Angehörigkeit ist für Nada Chekh Rohstoff der Rebellion, eine permanente Überwachung, die abwesend zugleich ist und genau hier liegt die Macht der "Community": Niemand folgt dir auf die Straße, aber deine Intimität gehört den Anderen; niemand sagt nichts und trotzdem sind diese, die lautesten tonlosen Stimmen. Kultur als Idol, Kultur als Gefängnis, Kultur als Kristallschale - Vorsicht, Scherben! Power in einer Welt, einer anderen Welt. Wenn du ihre Regeln nicht einhältst, erblühst du als "eine Blume ohne Wurzeln". (Malina)

Irene Diwiak: Sag Alex, er soll nicht auf mich warten

10.11.23 13:00 Uhr: Helden als Menschen, die sich Musik anhören, Liebesdramas erleben, Flugblätter verbreiten, in der Hoffnung einer Zerstörung des albtraumartigen Regimes. Irene Diwiak hat in Berlin für diese Widerstandsgeschichte der "Weißen Rose" recherchiert, die uns entweder Hoffnung liefert oder unsere Gesichter weniger gerunzelt macht. Die Helden sind nicht mehr zu erwarten, weil sie schon auf dem Weg sind, und in der Zwischenzeit wurde im Roman die Freundschaft das Rezept des Widerstands mit alltäglichem Geschmack. (Malina)

Elisabeth von Samsonow: Museum des Anfangs | Mädchen - Pferd - Baum

10.11.23 14:00 Uhr: Mädchen & Pferd & Baum begleiten uns in einer plastischen Realität, in der die drei genannten miteinander verbunden sind, um Verwirrung in eine möglichst strukturierte Form umzuwandeln. Elisabeth von Samsonow schafft einen Mischmasch der Genres, eine Übung des Lebens und Denkens: Sie enthüllt "the know how" der "how to be confused". (Malina)

Hier ist Literatur! Reisen zu literarischen Erinnerungsorten in Niederösterreich

10.11.23 14:00 Uhr: Dieses Werk soll mehr sein als Heimatliteratur. Ziel und Zweck war es Orte in Niederösterreich aufzusuchen und zu Orte finden, an denen Schriftsteller*innen längere Zeit verbracht und gewirkt haben. Es soll eine Aufzeichnung sein, die zeigt, wie mit literarischen Spuren, die hinterlassen werden, umgegangen wird. Zudem sind auch persönliche Texte zur eigenen Autorenschaft enthalten, sowie ein Ausflug hin zur Person Ingeborg Bachmanns, jedoch aus kritischer feministischer Perspektive: „Die Texte Nebensache, wenn man auch die Frau ansehen und beurteilen kann.“. (Lara)

Auswanderung - Rückkehr - Neuanfänge. Die Zukunft Albaniens

10.11.23 15:30 Uhr: Die Geburt war ein Fehler. Genau genommen: Das Geschlecht des Kindes war ein Fehler. Ein schicksalhaftes Urteil für Alba, eine zweitgeborene Tochter, die in den patriarchalen Strukturen der sozialistischen, albanischen Gesellschaft der 80er Jahre aufwächst. In jener Zeit bestimmt das Geschlecht den Wert des neugeborenen Kindes. Lindita Arapi skizziert den Lebensweg von Alba, ihre Kindheit und Jugend in Albanien, ihre Auswanderung nach Wien und ihre Auflehnung gegen die patriarchal geprägte Erziehung.

Nach dem kommunistischen Zusammenbruch steht das Land vor der Erneuerung, Individualismus und sogar ein gewisser Hedonismus dominiert das persönliche Handeln der Bevölkerung. Der Wunsch nach einem Aufbruch ins Ausland ist vor allem bei jungen Leuten groß: rund 70% haben das Bedürfnis, Albanien zu verlassen. Das schlechte Gesundheitssystem, Korruption und ein unsicheres Justizsystem seien der Antrieb der Migrationsbewegung. Besonders auf die weibliche Bevölkerung wirkt das strenge Patriarchat und die veralteten Rollenmuster als erdrückend und freiheitsberaubend. Die Protagonistin Alba erzählt in dem Roman nicht nur ihre eigene Geschichte, sondern stellvertretend die, unzähliger Frauen in Albanien.  (Anna)

Eva Biringer- Unabhängig- Vom Trinken und Loslassen

10.11.23 13:00 Uhr: Kaum eine Droge hat die Gesellschaft so sehr im Griff wie der Alkohol. Er ist stetiger Begleiter-, Dorfpartys in der Jugend, die Studienzeit, Geburtstage, Abschlüsse, Hochzeiten oder einfach mal ein Glas Wein zum Abendessen. Bei jeder Feierlichkeit hat er einen Platz am Tisch reserviert. Hier liegt einer von Eva Biringers Haupt-Kritikpunkten, die Omnipräsenz des Alkohols in der Gesellschaft. In ihren neuen Roman verarbeitet sie eigene Erfahrungen mit ihrem übermäßigen Alkoholkonsum und wirft einen kritischen Blick auf die zunehmende Feminisierung der Alkoholindustrie. Eva Biringer präsentiert konkrete politische Forderungen: ein Werbeverbot für Alkohol, Verbote in den öffentlichen Verkehrsmitteln und neue Gesetze im Sinne des Jugendschutzes könnten helfen, der Normalisierung des Konsums entgegenzuwirken. (Anna)

Eva Reisinger- Männer töten 

10.11.23 17:00 Uhr: Ein utopisches Matriarchat in Engelhartskirchen, Oberösterreich? Kaum vorstellbar bei dem derzeitigen Spitzenreiter der Femizide in Europa, doch in Eva Reisingers Debütroman „Männer töten“ wird diese Vorstellung Realität. Hier herrschen gegenteilige gesellschaftliche Regeln. Die Frauen sind laut, frei, und am allerwichtigsten, nicht mehr den patriarchalen Strukturen Österreichs unterworfen. Die bewusste Entscheidung der Journalistin, ihre politischen und gesellschaftlichen Forderungen in einem Roman zu verpacken, anstelle eines Artikels, begründet sie mit der zunehmenden Abstumpfung der Bevölkerung und des Desinteresses an journalistischen Texten. Mit ihrem Roman ermöglicht sie Leser*innen einen amüsanten, lockeren Zugang zu diesem doch sehr bedrückenden Thema  (Anna)

Die schwarze Flamme. Der Beginn der faschistischen Gewalt in Triest 1920

11.11.23 13:00 Uhr: Dieses umfassend gestaltete Projekt einer graphic novel von zeichnendem Vater, Zoran Smiljanic, und zeichnendem und schreibendem Sohn, Ivan Smiljanic, zeigt den Brennpunkt des beginnenden Faschismus und der damit einhergehenden Italianisierung durch den Brand des Narodni dom, des slowenischen Vereinshauses, in Triest, 1920. Der Brand war lange Zeit ein dunkles Symbol für die Beziehung zwischen Italien und Slowenien. Auffallend bei der Recherche war, dass italienische und slowenische Quellen sich in ihrer Darlegung der „historischen Fakten“ stark unterscheiden. Es musste daher eine Auswahl getroffen werden, der Comic bemüht sich dennoch um eine relativ objektive Darstellung, bedenkt aber natürlich die Situierten der slowenischen Autoren mit. Die Methode, die daher eingesetzt wurde, ist, die Geschichte aus der Sicht zweier Freunde zu begleiten, um neben der faktischen Ebene auch eine emotionale Ebene hereinzubringen. Einer der beiden ist Slowene, der andere Italiener, um ihre Verbindung zu kennzeichnen, tragen zudem beide denselben Namen, Jožef und Guiseppe. (Lara)

ChatGPT und die Folgen - Wie künstliche Intelligenz unsere Welt verändert

11.11.23 14:30 Uhr: Eine Gegenüberstellung zweier Bücher erfolgt. Auf der einen Seite „Homo Cyber: Ein Bericht aus Digitalien“ von Peter Reichl, auf der anderen Seite „Der überschätze Mensch“ von Lisz Hirn. Ersteres umfasst die Suche nach und das Auffinden von künstlicher Intelligenz. Als Beispiel wird ChatGPT genannt, ein Programm, das laut Informatiker*innen stets halluziniert und nicht denkt, lediglich wir Menschen schreiben dem fabrizierten Bedeutung zu. Entgegen der menschlichen Überschätzung der Technologie hält Lisz Hirn mit ihrem Buch die Überschätzung des Menschen selbst. (Lara)

“Die Dauer der Liebe”

11.11.23 12:30 Uhr: Sabine Gruber stellt in diesem Roman die Frage nach dem Umgang mit Trauer in den Vordergrund. Der Partner der Protagonistin verstirbt unerwartet und hinterlässt eine pochende Leere. Gruber hat einerseits versucht den körperlichen Entzug, sofern romantische Liebe eine hormonelle Droge ist, darzustellen und bemüht sich andererseits um das Fazit, dass Liebe im Allgemeinen zwar mit der Gewissheit eines Endes kommt, aber, dass dennoch geliebt werden soll und sich jeder Tag auszahlt. (Lara)

David Sala-das Festival der frankophonen Comics

11.11.23 12:00 Uhr: David Sala führt uns in die Welt der „Bandes dessinées“, der Comicbücher. Seine Adaption der „Schachnovelle“ von Stefan Zweig verbindet seinen persönlichen künstlerischen Ausdruck mit einem weltbekannten Klassiker. Die Schachnovelle offenbarte sich als besondere Herausforderung, begründet durch die sprachlichen Gegebenheiten der Novelle. Bei jeder Adaption muss der*die Künstler*in den Blickwinkel bestimmen, durch den er*sie das Werk darstellen will, wobei sich David Sala nicht auf eine bestimmte künstlerische Bewegung festlegen möchte- sein Arbeitsprozess ist ein stetiger Wechsel zwischen Nachdenken und Zeichnen, der Ausdruck eines konkreten Bildes in seinem Kopf, dessen Emotionen in dem Gemalten verewigt werden. (Anna)

Michael Stavarič, Ann Cotten, Lukas Matthaei, Judith Nika Pfeifer, Regina Rusz, Elke Atzler: Wot da Future. Literarische Dialoge

12.11.23 13:00 Uhr: „Vielleicht ist es genug, wenn unsere Fragen schwieriger sind, als unsere Antworten.“ 

Das Kunstprojekt „Wot Da Future“ der Sektion für internationale Kulturangelegenheiten umfasst diverse literarische Dialoge, gehalten in mehreren Sprachen, unter anderem Deutsch, Englisch und Hawaiianisch. Es ist eine Anthologie, die sich durch das aneinander Prallen von Sprachen und Sprachebenen auszeichnet. Die Frage, von der für den Großteil des Schaffensprozess ausgegangen wurde, ist: Wie kann Sprache, vor allem in Krisenzeiten, einen Umgang mit verschiedenen Lebensrealitäten bieten? Sprachliche und literarische Möglichkeiten werden mit Blick auf gemeinsame Entwicklung erschöpft. Das Endergebnis dieses Projekts ist entgegen aller Annahme ein literarisch geprägter Film von Michael Stavarič „Il Manifesto Futuro“. (Lara)

Natalja Tschajkowska All die Frauen, die das hier überleben

12.11.23 16:00 Uhr: „All die Frauen, die das hier überlebten“ ist ein Text von Natalja Tschajkowska, einer ukrainischen Autorin, die hiermit zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurde. Die Geschichte folgt einer jungen Frau in einer gewalttätigen Beziehung, die kaum einen Ausweg sieht. Die Thematik der häuslichen Gewalt schleicht sich durch das gesamte Buch, zwar ist sie nicht ständig offensichtlich präsent und es werden auch hoffnungsvolle Momente des Paares gezeigt, dennoch bleibt die gewaltige Bedrohung als dunkle Wolke. 

Tschajkowska hat sich bei ihrer Lesung an der Buch Wien außerdem zum Literaturleben in der Ukraine momentan geäußert. Trotz der kriegerischen Umstände finden Lesungen statt und diese seien nicht nur ihre, sondern die Rettung vieler. Psychische Unterstützung ist in der Literatur zu finden. (Lara)

Renate Welsh- Ich ohne Worte

12.11.23 12:00 Uhr: Was passiert, wenn eine Schriftstellerin ihr wichtigstes Werkzeug, die Sprache, verliert? Nach unzähligen veröffentlichten Werken macht Renate Welsh genau diese Erfahrung- ein Schlaganfall nimmt ihr die Worte. Wie fühlt es sich an, auswendig gelernte Gedichte exakt aufsagen zu können, die aktuellen Bedürfnisse aber nicht aussprechen zu können? Der Prozess des Erlernens der Sprache gilt dem einer Eroberung, jedes Wort, jede Phrase offenbart neue Möglichkeiten. Ihr neuer Roman handelt von der Entfremdung des eigenen Körpers, dem Kampf gegen die Sprachlosigkeit und der Bedeutung von Zärtlichkeit. (Anna)


Bohema Bohemowski

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